Vierte Nacht: Unruhen weiten sich aus, 1.300 Festnahmen in Frankreich
Die vierte Nacht in Folge ist es nach dem Tod eines 17-Jährigen durch Polizeigewalt in ganz Frankreich zu schweren Krawallen gekommen. 1.311 Personen sollen festgenommen worden sein - Samstagvormittag war noch von knapp 1.000 die Rede, Bei den Ausschreitungen seien außerdem 79 Polizisten verletzt worden, teilte das Innenministerium am Samstagmorgen über Twitter mit. Dank der Mobilisierung der Sicherheitskräfte im ganzen Land sei die Gewalt aber weniger intensiv gewesen als in der Nacht zuvor, erklärte das Ministerium unter Innenminister Gérald Darmanin.
Die Unruhen griffen indes auch auf französische Überseegebiete in der Karibik über, wo ein Mensch durch einen Querschläger ums Leben kam.
Der am Dienstag bei einer Polizeikontrolle in Paris getötete 17-jährige Nahel wurde indes heute am Vormittag in Nanterre beerdigt.
1.350 Autos ausgebrannt
Das französische Innenministerium gab Zahlen zu den Einsätzen von der Nacht auf Samstag bekannt:
- 1.311 Personen sollen festgenommen worden sein
- 79 Polizisten sollen verletzt worden sein.
- 1.350 Autos sind in der Nacht ausgebrannt - in der Nacht davor waren es 1.900
- 2.560 Brandherde hat es auf öffentlichen Straßen gegeben
- 31 Polizeiwachen sollen angegriffen worden sein
45.000 Polizistinnen und Polizisten waren im Einsatz
Auch massive Polizeipräsenz und behördlich angeordnete Einschränkungen des öffentlichen Lebens konnten die erneuten Ausschreitungen nicht verhindern. Darmanin hatte am Freitagabend angekündigt, dass 45.000 Polizistinnen und Polizisten in der Nacht für Ordnung sorgen sollten - darunter auch Spezialkräfte. In Großstädten wie Lyon, Marseille oder Straßburg waren Demonstrationen und Veranstaltungen verboten worden, wie der Sender franceinfo berichtete.
In Marseille kam es zu Plünderungen
Trotzdem gab es Plünderungen, Sachbeschädigungen und gewalttätige Zusammenstöße. Zu besonders heftigen Auseinandersetzungen kam es Medienberichten zufolge in Marseille und Lyon. In Marseille wurde unter anderem nach einem Brandanschlag ein Supermarkt geplündert.
Darmain teilte mit, die Gewalt sei insgesamt trotzdem von "weitaus geringerer Intensität" gewesen. Er sagte: "Die Republik wird gewinnen, nicht die Randalierer." Er sei nicht der Ansicht, dass der Ausnahmezustand verhängt werden müsse.
In der Nacht auf Freitag waren mehr als 900 Menschen festgenommen worden. 40.000 Polizisten waren im Einsatz. Nach Angaben des Innenministeriums wurden rund 250 Polizisten verletzt.
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Tod eines Jugendlichen durch Polizeigewalt war Auslöser
Auslöser der Unruhen war der Tod eines Jugendlichen bei einer Polizeikontrolle am Dienstag. Eine Motorradstreife in Nanterre bei Paris hatte den 17-jährigen Nahel am Steuer eines Autos gestoppt. Als der junge Mann plötzlich anfuhr, fiel ein tödlicher Schuss aus der Dienstwaffe des Polizisten. Der Vorfall sorgte landesweit für Bestürzung, Frankreich wird seitdem von heftigen Unruhen erschüttert. Der Polizist, der für Nahels Tod verantwortlich gemacht wird, kam in Untersuchungshaft. Gegen ihn wurde ein förmliches Ermittlungsverfahren wegen Totschlags eingeleitet.
Fußballstar Mbappé meldete sich zu Wort: "Die Zeit der Gewalt muss enden"
Der französische Fußballstar Kylian Mbappé zeigte sich betroffen vom Tod des 17-Jährigen und warnte vor Gewalt. "Seit diesem tragischen Ereignis sind wir Zeuge des Ausdrucks der Wut der Bevölkerung, deren Inhalt wir verstehen, deren Form wir jedoch nicht gutheißen können", heißt es in dem Statement, das er am Freitagabend wohl zusammen mit anderen Nationalspielern veröffentlichte. Gewalt löse keine Probleme. "Die Zeit der Gewalt muss enden, um der Zeit der Trauer, des Dialogs und des Wiederaufbaus Platz zu machen", erklärte Mbappé.
Nachtfahrverbot für Öffis: Öffentliches Leben wurde eingeschränkt
Die Regierung antwortete am Freitag auf die Randale u.a. mit Einschränkungen des öffentlichen Lebens. Beispielsweise sollen Straßenbahnen und Busse bis auf weiteres nicht mehr nachts fahren, Großveranstaltungen wurden abgesagt und der Verkauf und das Mitführen von Feuerwerkskörpern und brennbaren Stoffen wurden verboten. Da viele der Randalierer nach Angaben der Regierung sehr jung sind, appellierte Präsident Emmanuel Macron an das Verantwortungsbewusstsein der Eltern und machte die sozialen Medien für die Gewalteskalation verantwortlich.
Unruhen auch in Überseegebieten
In Cayenne, der Hauptstadt des südamerikanischen Französisch-Guayana, wurde in Zusammenhang mit den Unruhen ein Mann in der Nacht zum Freitag (Ortszeit) durch einen Querschläger getötet, wie die örtlichen Behörden mitteilten. Nach Medienberichten handelte es sich bei dem Mann um einen Mitarbeiter der Lokalverwaltung.
Auch im karibischen Überseegebiet Martinique kam es nach einem Bericht des regionalen Portals France-Antilles in der Nacht zum Freitag zu Gewalt. Etwa 20 bis 30 Vermummte warfen demnach in der Hauptstadt Fort-de-France mit Steinen auf Polizisten. An mehreren Orten seien Mülltonnen angezündet worden.
Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Jugendlichen auch in Brüssel
Auch in Brüssel kamen am Freitagnachmittag als Reaktion auf den Tod des 17-Jährigen erneut Jugendliche zusammen. Einer Polizeisprecherin zufolge versammelten sie sich nach einem Aufruf in sozialen Netzwerken an verschiedenen Orten. Zwischenzeitlich seien rund 50 Menschen präventiv festgenommen worden, hieß es. Bereits am Donnerstagabend war es in der belgischen Hauptstadt zu Auseinandersetzungen zwischen Jugendlichen und Ordnungskräften gekommen.