Politik/Ausland

Verzweifelte Syrer verkaufen ihre Nieren

Der 19-Jährige Raïd hat es gemacht. Es war sicher keine leichte Entscheidung für den jungen Mann aus Aleppo, aber einen Teil seines Körpers zu verkaufen, schien ihm die einzige Möglichkeit, im Libanon zu überleben. Mehr als eine Million Syrer sind wie er aus ihrer Heimat ins Nachbarland geflohen. Sie haben nur das Nötigste mitgenommen. Im Libanon stoßen sie auf eine Bevölkerung, die ebenfalls bitterarm ist. Jobs? Fehlanzeige.

Nach wenigen Wochen in Beirut ist Raïd und seiner Familie das Geld ausgegangen, erzählt der junge Mann in der neuen Ausgabe des Nachrichtenmagazins Der Spiegel. Ein Verwandter hat ihn dann von einer libanesischen Gruppe erzählt, die viel Geld bieten würde, wenn er auf eine Niere verzichte.

Umgerechnet rund 5000 Euro habe der Syrer dafür bekommen. Die Preise für eine Niere am Schwarzmarkt sind wegen „Andrangs von Verkaufswilligen“ bereits gefallen. Zwischen 9000 und 11.000 Euro zahlen Kunden angeblich. Sie kommen aus den Golfstaaten, aber auch aus Europa und den USA.

Die Organe werden in geheimen illegalen Kliniken entnommen. Wie viele Menschen im Libanon bereits auf diese Weise ein Organ gekauft haben, ist nicht bekannt.

Sinai bis China

Doch nicht nur im Libanon, auch in Flüchtlingslagern in Jordanien verkaufen laut Hilfsorganisationen verzweifelte Menschen ihre Organe, um an Geld zu kommen – und nehmen gesundheitliche Komplikationen in Kauf.

Die Zahl der Opfer von Organhandel ist in den vergangenen Jahren weltweit gestiegen. Ein Teil stellt seinen Körper in der Not „freiwillig“ zum Verkauf, bei einem großen Teil handelt es sich hingegen um Entführungen. Jährlich werden laut Schätzungen weltweit 5000 bis 10.000 illegale Nierentransplantationen durchgeführt. Auf der ägyptischen Sinai-Halbinsel etwa werden regelmäßig afrikanische Flüchtlinge entführt und ihre Organe zum Weiterverkauf entnommen. Auch in China oder Somalia sorgten in letzter Zeit Fälle für Entsetzen. Am 22. November will der Europarat die weltweit erste Konvention über den Kampf gegen den Organhandel unterzeichnen.