Politik/Ausland

Angezählter Boris Johnson: "Ich werde nicht zurücktreten"

Für den britischen Premier Boris Johnson wurde es am Mittwochabend immer enger. Doch der Premier kämpfte verbittert um sein Amt. "Ich werde nicht zurücktreten", sagte Johnson am Mittwoch bei einer Befragung in einem Parlamentsausschuss. Er wolle nicht über seine Person, sondern über seine politische Agenda sprechen. Ausgelöst hatte die Regierungskrise eine Affäre um Vorwürfe sexueller Übergriffe durch ein führendes Fraktionsmitglied.

Johnson sollte am Donnerstag  gemeinsam mit seinem neuen Finanzminister Nadhim Zahawi einen Plan für die Wirtschaft vorstellen. Doch Zahawi rief Johnson öffentlich zum Rücktritt auf.

Johnsons engste Mitarbeiter versuchten dennoch gute Stimmung zu machen: Der Premierminister sei in einer "guten Stimmung" und werde "weiterkämpfen".

14 Minister zurückgetreten

Laut BBC reichten am Mittwoch 14 Minister ihren Rücktritt ein. Dies sei ein neuer Rekord für einen einzigen Tag, hieß es. Die bisherige Höchstmarke habe bei elf Ministern im Jahr 1932 gelegen. Berichten zufolge entließ Johnson zudem seinen alten Weggefährten Michael Gove aus dem Kabinett. Gove galt als eines der größten Schwergewichte im britischen Kabinett. Er hatte an der Seite Johnsons bereits im Wahlkampf vor dem Brexit-Referendum 2016 für den EU-Austritt geworben. Das Verhältnis zwischen den beiden war jedoch stets auch von Konkurrenz geprägt.

Gove gefeuert

Berichten zufolge hatte sich Gove zuletzt gegen Johnson gestellt und den skandalumwitterten Premier am Mittwochmorgen zum Rücktritt aufgerufen. Gove hatte in den vergangenen Jahren verschiedene Posten in der Regierung inne. Zuletzt war der konservative Politiker als Minister für Bau- und Wohnung für Johnsons Plan zur Angleichung der Lebensverhältnisse in Großbritannien zuständig.

Am Donnerstag trat dann auch noch Nordirland-Minister Brandon Lewis zurück.

Rücktrittsforderungen immer lauter

Mehrere konservative Parteifreunde hatten Johnson bei der Fragestunde im Parlament in London am Mittwoch direkt oder indirekt zum Rücktritt aufgefordert. Die Stimmung auf den Bänken der Konservativen im Unterhaus - normalerweise wird der Premier dort mit lautstarken "Yeah, Yeah, Yeah"-Rufen angefeuert - war eisig. Teilweise herrschte Grabesstille. Ex-Gesundheitsminister Sajid Javid, der am Dienstagabend sein Amt niedergelegt hatte, rief weitere Kabinettsmitglieder auf, seinem Beispiel zu folgen.

Wie Medien am Mittwochabend berichteten, wollte eine Delegation aus mehreren Kabinettsmitgliedern dem konservativen Premierminister noch am Abend im Regierungssitz 10 Downing Street den Rücktritt nahelegen. Darunter soll unter anderem der erst am Dienstag auf seinen Posten berufene Finanzminister Nadhim Zahawi sein. Sein Vorgänger Rishi Sunak hatte nur Stunden zuvor das Amt aus Protest gegen Johnsons Führungsstil niedergelegt. Auch Verkehrsminister Grant Shapps soll sich dem Aufruf angeschlossen haben. Berichten zufolge sollen sich auch Wirtschaftsminister Kwasi Kwarteng und Bau-und Wohnungsminister Michael Gove von Johnson abgewandt haben.

Belästigungsaffäre

Ausgelöst wurde die jüngste Regierungskrise in Westminster durch die Belästigungsaffäre um Johnsons Parteikollegen Chris Pincher. Sie hatte am Dienstag zu einer Reihe von Rücktritten im Kabinett geführt. Zuvor war herausgekommen, dass Johnson von Vorwürfen sexueller Belästigung gegen Pincher wusste, bevor er ihn in ein wichtiges Fraktionsamt hievte. Das hatte sein Sprecher zuvor jedoch mehrmals abgestritten.

Die Affäre könnte sich als Tropfen erweisen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat. Johnson steht schon seit Monaten massiv wegen illegaler Lockdown-Partys während der Pandemie im Regierungssitz Downing Street unter Druck. Er hatte wegen Teilnahme an einer der illegalen Zusammenkünfte selbst Strafe zahlen müssen.