Politik/Ausland

Václav Klaus: "Es folgten 20 verlorene Jahre"

In den Augen der Tschechoslowaken war es der bitterste Moment in ihrer Geschichte, als in der Nacht zum 21. August 1968 auf Befehl Moskaus fünf Armeen des Warschauer Pakts – die Sowjets, Polen, Ungarn, Bulgaren und Ostdeutschen – mit Panzern in Prag und allen wichtigen Städten einmarschierten. Die größte Militär-Operation in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg mit rund 600.000 Soldaten hatte den einzigen Zweck, den demokratischen Reformkurs des damaligen Ministerpräsidenten Alexander Dubček zu stoppen.

„Ich hörte ein besonderes Geräusch, das ich anfangs nicht deuten konnte. Ein russischer Offizier verriet mir, dass ich Panzerketten hörte. Ich wusste, wir gehen einer neuen Situation entgegen“, sagte Werner Fasslabend, Österreichs Verteidigungsminister von 1990 bis 2000, der das Ende des „Prager Frühlings“ in Niederösterreich nahe der Grenze miterlebte. Am Sonntag diskutierte er auf Schloss Weitra im Waldviertel mit Tschechiens früherem Staatspräsidenten Václav Klaus, Dubčeks Sohn Pavol und Niederösterreichs Landesrat Martin Eichtinger über einen traurigen Wendepunkt der Weltpolitik.

Die Bilder aus Prag gingen damals um die Welt. Panzerkolonnen, so weit man sah, wälzten Autos nieder. Russische Truppen besetzten den Staatsfunk. Und Tausende Bewohner gingen auf die Straßen, um die Konfrontation mit den Truppen zu suchen. Die Bilanz: 411 Tote.

Mit aller Härte wurde ein Kurs Richtung Presse- und Reisefreiheit sowie Marktliberalisierung verhindert.

Entwicklungen

„ Es folgten 20 verlorene Jahre“, sagte Klaus und meinte die Zeit bis zum Fall des Eisernen Vorhangs 1989. Trotz des bitteren Einmarschs sieht er – mit dem nötigen Abstand – auch positives. „Die damalige Wirtschaftskrise ließ bei uns erstmals eine seriöse Debatte über die Ineffizienz des Systems zu. Man konnte alles kritisieren. Und es gab viel zu kritisieren“, sagte Klaus: Keiner habe damals den Kommunismus retten wollen.

Obwohl ihm das Risiko bewusst gewesen sei, habe sein Vater mutig gehandelt, um die „Macht zu dezentralisieren“, sagte Dubčeks Sohn Pavol, der damals als 20-Jähriger Medizin studierte und später jahrelang als Arzt nicht praktizieren durfte.

Im Nachhinein betrachtet sei die Situation für Österreich ungefährlich gewesen, aber 1968 sei die Regierung von der „Gefahr einer Invasion auch in unserem Land ausgegangen“, betonte Fasslabend: Deswegen habe man Soldaten an die Grenze geschickt. Schon ein kleiner Zwischenfall wäre fatal gewesen, weiß Fasslabend.

Wie man sehen könne, sei Demokratie nichts selbstverständliches, betonte Eichtinger. „Diese und spätere Generationen müssen täglich dafür arbeiten, dass unsere Freiheit bleibt.“