Politik/Ausland

USA von innen: Hinter den Filmkulissen

Wir sitzen in Hollywood beim Mittagessen. Nettes Lokal, Holzterrasse mit Blumenkästen, italienische Speisen zu akzeptablen Preisen. Karl Kresser, nach Los Angeles emigrierter Vorarlberger, räsoniert im KURIER-Gespräch über die Zukunft des Films: "Früher war der Film König. Aber das ist vorbei. Heute wird alles digital auf Video gemacht. Es wird auch viel weniger in den USA produziert als früher."

Kresser weiß über das Filmbusiness bestens Bescheid, denn er ist in Hollywood eine Institution. Seit zwanzig Jahren richtet er hier so etwas wie die "Betriebsfeier" aus. Studiobosse, Produzenten, Regisseure, Kameraleute und technisches Personal aus aller Welt kommen alljährlich für vier Tage im Juni auf die "Cine Gear". Diese Veranstaltung ist Kressers Erfindung.

Besuch mit Karl Kresser in den Paramount-Studios
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/Daniela Kittner
Kresser, Paramount Studios_USA von innen für So., …
Kresser, Paramount Studios_USA von innen für So., 11.9.
"Cine Gear" als globale Betriebsfeier

Im Kern ist die "Cine Gear" eine Messe, auf der die Hersteller von Film-Equipment mit ihren Kunden, den Filmschaffenden, zusammen kommen. Sony & Co (darunter die österreichische Firma cmotion) präsentieren ihre neuen Entwicklungen, die Kameraleute geben ein Feedback, ob sich die Knöpfe bei den Geräten eh an den praktischsten Stellen befinden. Die "Cine Gear" ist jedoch mehr als eine Leistungsschau – sie ist eine globale Betriebsfeier und findet sozusagen am Arbeitsplatz, auf dem traditionsreichen Gelände der Paramount-Studios, statt. An der "Kreuzung", an der die Kulissenstraßen der Bronx, Manhattans und Chicagos aufeinandertreffen, wird alljährlich die Bar aufgebaut. Hier trifft sich die Filmbranche, um ausgiebig über ihr Geschäft zu plaudern.

Und da ist tatsächlich viel zu besprechen. Denn die Auswirkungen der Digitalisierung sind enorm, der Kinofilm ist auf der Suche nach seiner Zukunft. "Es gehen viel weniger Leute ins Kino, weil heute jeder schon sein Heimkino hat", sagt Kresser. Dadurch sinken die Einnahmen der Filmstudios. Das Runterladen von Filmen aus dem Internet reduziert die Einnahmen nochmals, weil – auch legales – Runterladen dem Studio weniger einbringt als eine DVD oder Fernsehrechte.

TV-Produktionen boomen

Neuproduktionen verlagern sich immer mehr vom Film zu Fernsehen. Fernsehen ist einfacher zu produzieren, und die Flop-Gefahr ist geringer. "Ein Studio kann nicht vorhersagen, ob ein Film beim Publikum ankommen wird. Netflix hingegen weiß aufgrund des Klickverhaltens genau, was das Publikum sehen will", sagt Kresser.

Gesucht werden Strategien für das Erhalten des Kinofilms. Eine davon ist, Megafilme mit mehreren Folgen zu produzieren. Eine andere zielt darauf ab, den Erlebnischarakter im Kino zu steigern: "Der Zuschauer muss ein Gefühl bekommen, das er zu Hause beim Fernsehen nicht hat. Das Ziel ist, dass der Zuschauer selbst Teil des Films wird. Es wird intensiv daran gearbeitet, das ohne 3-D-Brillen hinzubekommen", erzählt Otto Nemenz, Eigentümer einer großen Verleihfirma für Kameras und anderes technisches Equipment.

Nemenz: Von Mödling nach Hollywood

Otto Nemenz, 1964 von Österreich in die USA ausgewandert, hat an der Schule in Mödling Feinmechanik gelernt und sich in den USA zum Kameramann hinaufgearbeitet (er drehte "Grand Prix"). Mit seinem Fachwissen darüber, was Kameraleute benötigen, gründete Nemenz 1979 seine Firma in Hollywood. Ein Kameramann bekommt dort alles, was seine technischen und künstlerischen Wünsche erfüllt. Und zwar maßgefertigt. Bis heute betätigt sich der 76-Jährige als Erfinder. Mit Leica hat Nemenz gerade ein Netz für Objektive entwickelt, das die Bilder der hochauflösenden 6K- und 8K-Kameras weich zeichnet. Nemenz: "Bei den digitalen Aufnahmen sieht man jede Pore, weswegen sich manche Schauspieler in den Vertrag schreiben lassen, dass sie weiterhin nur auf Film drehen wollen. Die Netztechnik soll helfen, bei Close-ups auch digital weiche Bilder zu machen."

Anders als in Europa und speziell in Österreich ist der Film in den USA keine geförderte Kunst, sondern beinhartes Business. "Die Filmstudios müssen nicht nur die Produktionskosten auftreiben, sondern auch das Geld für das Vermarkten. Das PR-Budget ist oftmals annähernd so groß wie das Produktionsbudget", sagt Rudolf Thaler, Wirtschaftsdelegierter in Los Angeles. Da geht es um dreistellige Millionenbeträge bei gleichzeitig sinkenden Einnahmen.

Mehr denn je folgt daher der Film der Spur des Geldes. Hollywood bekommt zunehmend Konkurrenz in und außerhalb der USA. Andere Länder oder US-Staaten locken die Filmproduzenten mit Steuererleichterungen, damit im Gegenzug ihre Locations mit schönen Bildern promotet werden. Selbst Währungsschwankungen bekommt Hollywood zu spüren. Ist der Dollar hart, wandern Produktionen ins Ausland ab. Bei Produktions-Budgets von 200 Millionen Dollar zahlt sich das aus. Eine der Hoffnungen Hollywoods ruht nun auf China. Kresser: "Es gibt in China inzwischen sehr reiche Leute. Sie investieren hier in den Film. Für Chinesen ist Hollywood auch eine Prestigesache."