Spektakulärer Indianer-Protest zahlt sich aus
Von Dirk Hautkapp
Was mit bangen Gebeten und der Furcht vor Zusammenstößen mit der Polizei begann, endete mit Freudentänzen in der Eiseskälte von North Dakota. Nach monatelangem Protest gegen den Bau einer gewaltigen Öl-Pipeline in der Nähe des Standing-Rock-Indianer-Reservats nahe Cannon Ball haben die Nachfahren der Ureinwohner, die um die Reinheit ihrer einzigen Wasserquelle fürchten, einen unerwarteten Sieg eingefahren. Unmittelbar vor der für Montag geplanten Räumung des von mehreren Tausend Demonstranten bewohnten Protest-Camps hat die scheidende Obama-Regierung den Plan auf Eis gelegt. Ab 2017 hätten durch eine 1900 km lange Röhre täglich 500.000 Barrel Rohöl nach Chicago geschleust werden sollen.
Die Indianer hatten das vier Milliarden Dollar teure Projekt von Beginn an abgelehnt. Es drohe die Wasserläufe des Missouri River zu verunreinigen und werde die heiligen Stätten in der Umgebung entweihen. Störversuchen der Obama-Regierung begegnete die Firma in der Vergangenheit mit Gerichtsverfahren. Auch diesmal rechnen Beobachter damit, dass die Texaner mit Rückenwind der Republikaner im Kongress Einspruch einlegen werden.
In den vergangenen Wochen gab es immer wieder brutale Einsätze von Nationalgardisten und Polizei. Sie gingen gegen die Demonstranten vor, die mit den harten Winterbedingungen (minus 20 Grad) zu kämpfen haben. An einem Tag wurden über 150 Protestler verhaftet.
Am Wochenende trafen fast 2000 Militär-Veteranen im Lager am Oahe-See ein. Ihre Absicht war es, zwischen Polizei und Protestierenden als Schutzschild zu fungieren und das Ansinnen der Indianer zu unterstützen. Blutige Szenen zwischen Polizei auf der einen und den Nachfahren der Ureinwohner sowie ehemaligen Irak- und Afghanistan-Soldaten auf der anderen Seite wollte das Weiße Haus unbedingt vermeiden.
Eigeninteressen Trumps
Obama verliert in sechs Wochen die Entscheidungsgewalt. Sein designierter Nachfolger Donald Trump unterstützt den Bau der Pipeline. Sein Firmen-Konsortium hält Aktien an der Betreiberfirma. Trump kann den Baustopp mit einem Federstrich aufheben.
Stammesführer Archambault und seine Mitstreiter will das Momentum aber nutzen. "Wir wollen nicht mehr betrogen werden", sagt er, "wirtschaftliche Interessen dürfen nicht mehr wichtiger sein als wir."
In zwei Abkommen von Fort Laramie, unterzeichnet 1851 und 1868, hatte Amerika den Indianern die riesigen Weiten westlich des Missouri "für alle Zeiten" als Heimat versprochen. Der Goldrausch in den Black Hills von South Dakota und der Druck der Siedlerströme legten den Grundstein für einen historischen Wortbruch. Vom großen Reservat blieben nur kleine, oft unbrauchbare Landfetzen übrig. Das Bewusstsein um diese kolossale Täuschung war rund um die Öl-Pipeline die eigentliche Triebfeder für das größte indianische Aufbäumen in den USA seit der militanten Besetzung von Wounded Knee 1973.
"Dass wir hier zusammen sind, gibt mir den Stolz zurück, unsere Geschichte kommenden Generationen weiterzugeben", sagte Retha Henderson, die per Anhalter anreiste. Die Enkelin eines Oglala-Lakota-Indianers war am Sonntagabend wie Hunderte andere überglücklich. "Wir sind unserem Ziel ein Stück nähergekommen." Weil sie nicht abschätzen kann, wie Trump nach der Amtseinführung Ende Jänner entscheiden wird, bleibt Retha Henderson: "Ohne Geduld und Ausdauer werden wir nicht bekommen, was uns zusteht."