Politik/Ausland

CIA-Folter: UNO fordert Anklagen

Nach heftigen Kontroversen ist in den USA der bisher umfassendste Bericht über umstrittene CIA-Verhörmethoden nach den Anschlägen vom 11. September 2001 veröffentlicht worden. Der sogenannte Folterbericht bestätigt, was viele bereuts wussten: Nämlich dass der US-Geheimdienst Terrorverdächtige quälte, um Informationen von ihnen zu erhalten. Dass die Vorgehensweisen teils viel brutaler waren als bisher bekannt, ist allerdings neu.

Keine Bestrafung für Verantwortliche

Die Methoden unter dem damaligen Präsidenten George W. Bush seien weit über das hinausgegangen, was das Weiße Haus genehmigt habe, heißt es in dem 500 Seiten starken Report. Die CIA habe die Regierung zudem über das Ausmaß der Praktiken und deren Effektivität getäuscht, so der Bericht. So war bisher von 100 im CIA-Geheimprogramm Inhaftierten die Rede, im Bericht werden allerdings 119 Namen genannt (die Washington Post hat eine Liste aller Gefangenen zusammengestellt). 20 Fallstudien wurden dazu erstellt.

Der Tenor: Die angewendeten Techniken seien nicht nur weit über das hinausgegangen, was erlaubt war - sie hätten auch keinen Erfolg gehabt. Oft hätten die Befragungen dazu geführt, dass Informationen von den Gefangenen frei erfunden wurden. Zudem seien Verantwortliche oft nicht für ihre Taten belangt worden - ein CIA-Agent, der einen Gefangenen zu Tode gequält haben soll, wurde dafür nicht bestraft - die CIA habe sich geweigert.

180 Stunden ohne Schlaf

Die Bedingungen, unter denen die Top-Level-Inhaftierten befragt wurden, seien viel brutaler gewesen als bisher bekannt. Waterboarding und Schlafentzug seien „im Nonstop-Modus“ tage- und wochenlang angewendet worden. Gewisse Gefangene hätten bis zu 180 Stunden ohne Schlaf verbringen müssen - und das in unangenehmen stehenden Positionen, mit ihren Händen über den Kopf gebunden.

"Rektale Rehydration", also das rektale Einführen von Wasser, sei eine regulär angewendete Methode gewesen; zudem hätten CIA-Agenten den Gefangenen damit gedroht, den Familien der Inhaftierten Schaden zuzufügen. Zu den bereits enthüllten, in geheimen CIA-Gefängnissen angewandten Methoden zählten Schlafentzug, Stresspositionen, Gefangenschaft in Kisten und Waterboarding - das simulierte Ertränken.

Konsequenzen gefordert

Nach der Veröffentlichung des umfassenden Senats-Berichts über die Foltermethoden des US-Geheimdienstes CIA nach den Anschlägen vom 11. September 2001 haben die Vereinten Nationen und Menschenrechtsgruppen strafrechtliche Konsequenzen verlangt. Die Verantwortlichen für die "kriminelle Verschwörung" müssten zur Rechenschaft gezogen werden, erklärte UNO-Sonderberichterstatter Ben Emmerson. Die US-Bürgerrechtsorganisation American Civil Liberties Union nannte den Bericht "schockierend" und forderte von US-Präsident Barack Obama die Einsetzung eines Sonderermittlers.

Auch Amnesty International forderte eine Strafverfolgung. Die CIA habe mit der Verschleppung und der brutalen Befragung von Terrorverdächtigen nach den 9/11-Anschlägen "vom ersten Tag an" illegal gehandelt, sagte der US-Chef der Menschenrechtsorganisation, Steven Hawkins. Human Rights Watch warnte, dass sich Geschichte ohne eine juristische Aufarbeitung wiederholen könnte: "Wenn dieser wichtige Prozess des Aussprechens der Wahrheit nicht zu einer Strafverfolgung der verantwortlichen Offiziellen führt, wird Folter für künftige Präsidenten eine Politikoption bleiben." Eine positive Reaktion gab es lediglich aus Frankreich - FN-Chefin Marine Le Pen äußerte Verständnis für die CIA-Praktiken (mehr dazu hier).

Anklagen unwahrscheinlich

Eine Strafverfolgung ist in den USA sind allerdings unwahrscheinlich. Das Justizministerium in Washington hatte nach dem Amtsantritt von Präsident Barack Obama Anfang 2009 bereits die Foltervorwürfe gegen die CIA und Mitglieder der Vorgängerregierung untersucht, ohne dass jemand vor Gericht gestellt wurde. Das Ministerium erklärte am Dienstag, die Ermittler hätten bei der Lektüre des Senatsberichts "keine neuen Informationen" gefunden; das US-Justizministerium wird Reuters zufolge allerdings keine Erhebungen wegen des Berichts einleiten.

Ex-CIA-Agenten und ihre Unterstützer haben den Senatsbericht über die Folterverhöre des US-Geheimdienstes scharf kritisiert. Der Report enthalte "Fehler" bei Fakten und Interpretation der Arbeit der CIA und widerspreche "der Realität", erklärte eine Gruppe Ex-Agenten am Dienstag auf der Internetseite CIASavedLives.com, die als Reaktion auf den Bericht online ging.

Mit dem CIA-Programm habe man nicht nur ranghohe Anführer des Terrornetzwerks Al-Kaida gefangen nehmen können, hieß es auf der Internetseite. Es habe auch dabei geholfen, Terrorchef "Osama bin Laden zu finden".

Bush erst 2006 informiert

Dem Senatsbericht zufolge soll der damalige US-Präsident George W. Bush allerdings erst im April 2006 von den Verhörmethoden erfahren haben. Der Präsident habe sich damals unwohl gefühlt, als er das Bild eines "an die Decke geketteten Gefangenen in Windeln" zu sehen bekommen habe.

Die CIA-Vertreter hinter der Website betonten dagegen, dass das Weiße Haus von Beginn an eingebunden gewesen sei. So erklärte der frühere CIA-Chef George Tenet auf der Website, dass der Präsident das Programm geleitet habe. Auch die Führung im Kongress sei "regelmäßig und genau" über das Vorgehen unterrichtet worden.

Republikaner: „Einseitige Sichtweise“

Die Republikaner kritisierten den Bericht als einen "politischen" Angriff auf die CIA und sprachen von einer "einseitigen" Sichtweise. Diese habe zu "falschen Analysen, ernsthaften Ungenauigkeiten und falschen Darstellungen der Fakten" geführt, hieß es in einer Erklärung des obersten Republikaners im Senat, Mitch McConnell, und des Senators Saxby Chambliss. Lediglich der republikanische Senator John McCain, selbst ein früherer Kriegsgefangener, lobte die Veröffentlichung des Berichts. Er wisse aus eigener Erfahrung, dass der "Missbrauch von Häftlingen" bei der Geheimdienstarbeit nicht zum Erfolg, sondern eher zum Gegenteil führe, erklärte er.

Bush lobte CIA

George W. Bush machte bereits im Vorfeld der Veröffentlichung klar, dass er hinter den damaligen Verhörbeamten steht. "Wir können uns glücklich schätzen, Männer und Frauen zu haben, die bei der CIA hart für uns arbeiten", sagte er in einem CNN-Interview. "Sie sind Patrioten, und was immer der Bericht sagt: Wenn er ihre Beiträge für unser Land herabwürdigt, dann liegt das völlig daneben."

"Das sind Patrioten – und wer ihre Leistung für Amerika schmälert, steht komplett daneben", ließ sich George W. Bush seinen Anti-Terror-Krieg nicht schlechtreden, auch nicht vom Geheimdienst-Ausschuss des US-Senates. Den Schulterschluss mit Ex-Präsident Bush und der CIA übte auch Ex-Vizepräsident Dick Cheney. Cheney, einst Chefstratege des Anti-Terror-Krieges, wurde deutlicher als Bush selbst. "Nichts als Gelaber" seien die Vorwürfe.