Clintons Wunderwaffe Michelle Obama
Gemeinsam gegen Donald Trump: US-Präsidentenfrau Michelle Obama und die frühere First Lady - und jetzige Präsidentschaftskandidatin - Hillary Clinton haben am Donnerstag ihren ersten gemeinsamen Wahlkampfauftritt absolviert. "Ihr müsst alles geben für mein Mädchen", sagte Michelle Obama vor rund 11.000 Anhängern im US-Bundesstaat North Carolina.
Mit "Mädchen" meinte Obama die 69-jährige Kandidatin Clinton. Die Kandidatin zeigte sich angetan von der schwungvollen Rede der populären Präsidentenfrau. "Es kann nichts Besseres geben, als hier zu sein mit unserer großartigsten First Lady", sagte Clinton.
"Battleground" North Carolina
Die beiden Frauen gingen dorthin, wo Stimmen für Clinton besonders gebraucht werden. Winston-Salem, North Carolina, das ist ein Wahlkampfschlachtfeld, ein "Battleground", wie die Amerikaner sagen. Als Südstaat neigt North Carolina eigentlich eher den Republikanern zu. Die vielen Afroamerikaner wählen aber demokratisch. 2008 hat Barack Obama den Staat knapp für die Demokraten geholt, 2012 dann knapp verloren. Trump muss hier gewinnen, um eine Chance auf den Sieg zu haben.
Obama auf Wahlkampftour für Clinton
Michelle Obama hatte bereits mehrere Wahlkampfauftritte für die Kandidatin ohne deren Beisein entwickelt und sich mit ihren beherzten Reden zum heimlichen Star der Anti-Trump-Wahlkämpfer entwickelt. Dem republikanischen Kandidaten warf sie mehrfach ein abschätziges Verhalten gegenüber Frauen vor.
Wählermobilisierung in North Carolina
Obama forderte die Anhänger in der Uni-Stadt Winston-Salem bei dem Auftritt im Doppelpack nun auf, auf jeden Fall zur Wahl zu gehen. "Wenn Hillary diese Wahl nicht gewinnt, dann lag es an uns", warnte sie. "Hillary steht bereit, vom ersten Tag an Oberkommandierende zu sein, und ja - sie ist zufällig eine Frau", fügte Obama hinzu.
Clintons wichtigste Wahlkampfwaffe
Michelle Obama hat sich in den vergangenen Monaten zur Geheimwaffe der US-Demokraten entwickelt. Sie kann den Unterschied machen, das wissen die Demokraten. "Eine wirkungsvollere Stimme haben wir in unserem Lager nicht", sagt Jennifer Palmieri, die Sprecherin des Clinton-Wahlkampfes. Das weiß auch Obama selbst.
"When they go low, we go high!"
Sie scheint Spaß gefunden zu haben an dem, was sie eigentlich ablehnt. Auf dem Parteitag der US-Demokraten im Juli in Philadelphia stand sie schon für Clinton auf dem Podium. Erst widerwillig. Dann wurde sie gefeiert, für eine Rede, die womöglich die beste des Parteitags war. "When they go low, we go high!", hatte sie den Delegierten voller Wut darüber zugerufen. Wenn Gegner unter der Gürtellinie angreifen, dürfe man nicht auf demselben Niveau zurückschlagen. Der Satz hat Schule gemacht. Obama selbst hat ihn bereits mehrere Male wie ein Mantra wiederholt und auch Clinton hat ihn vereinnahmt.
"Ein Mann, der Frauen verachtet, soll nicht das Land regieren, in dem meine Töchter leben."
Der Spruch, den ihr Redenschreiberin Sarah Hurvitz auf den Teleprompter brannte, sollte zum Schlachtruf des Clinton-Wahlkampfes werden. Kurz nachdem Trump als wüster Macho mit obszönen Bemerkungen auf einem Video erwischt worden war, war es Michelle Obama die in genauso klaren wie verständlichen Sätzen ein Bild zeichnete, das in den Köpfen der Wähler hängen blieb. "Ein Mann der Frauen verachtet, soll nicht das Land regieren, in dem meine Töchter leben." Selbst Trumps Wahlkampf-Chefin Kellyanne Conway musste anerkennen: Sie ist ein echter Trumpf, der den Republikanern fehlt.
Obamas Glaubwürdigkeit fehlt Clinton
Obama soll für die Demokraten Afroamerikaner und Frauen ansprechen. Und sie kann viel offener gegen Trumps teils frauenverachtende Rhetorik vorgehen. Clinton fehlt nach den Affären ihres Mannes Bill die Glaubwürdigkeit. Obama hat sie. Die Harvard-Juristin kann reden. Und sie versteht, ihre Beliebtheit zu nutzen, ohne Clinton zu schaden. Es sind nicht nur die Inhalte, die sie zur wohl beliebtesten Wahlkämpferin der Kampagne 2016 machten. Es ist vor allem ihr Auftritt.
Bis vor kurzem wagte es nicht einmal Donald Trump Michelle Obama anzugreifen.
"Ihr geht raus und wählt. Jetzt, sofort!"
Mit ihren 52 Jahren wirkt die First Lady noch immer jugendlich, Gestik und Mimik wie ein Teenager. An Stellen, an denen es ihr wichtig ist, wird der Satzbau einfach. Sie spricht nicht zu den Zuhörern. Sie redet geradezu auf sie ein. Manchmal wirkt sie wie der Coach eines Sportteams in der Kabine, der sein Team für die zweite Halbzeit noch einmal richtig einpeitschen will. Als ob sie ihre Botschaft jedem Einzelnen hinter die Ohren schreiben will: "Ihr geht raus und wählt. Jetzt, sofort!", ruft sie.
Der Drahtseilakt der First Lady
Die First Lady war nicht immer der Superstar der Amerikaner. Manche warfen ihr vor, ihre Rolle nicht politisch genug ausgelegt zu haben. Zuviel gesundes Gemüse, zu wenig soziales Engagement. Andere bemängelten ihren teils steifen Auftritt, wieder andere sahen sie abgetaucht. Sie selbst fühlte sich gefangen in der Welt von Leibwächtern, Dresscodes und offiziellen Empfängen. Ihr größtes Problem: Den Töchtern Sasha und Malia ein halbwegs normales Aufwachsen zu ermöglichen.
"Coole" Michelle Obama in der zweiten Amtszeit
In der zweiten Amtszeit ihres Mannes kam die Lockerheit zurück. Michelle gab sich für eine Blödel-Einkaufstour bei der Drogeriekette mit Talk-Moderatorin Ellen DeGeneres her und machte weltweit Schlagzeilen mit ihrem Auftritt in James Cordens "Carpool-Karaoke" in der Late Late Show. "Cool" lautete das Urteil der Internetgemeinde.
Klasse, Haltung, Würde
Im Wahlkampf ist Obama nun der Gegenpol zu all den Tiefpunkten, die die Politiker setzen. Sie muss nicht kandidieren, kein Druck lastet auf ihren Schultern. In ihren Reden macht sie das, was gute Wahlkämpfer früher einmal taten: Den Gegner auseinandernehmen, ohne ihn auch nur einmal beim Namen zu nennen. Sie zeigt Klasse, Haltung, Würde, kann aber auf dem Boden bleiben, hebt nicht ab. Den Leuten gefällt das. Die Amerikaner hängen an ihrer First Lady. Vielleicht auch, weil mit Melania Trump jemand ins Weiße Haus einzuziehen droht, die sich kaum jemand dabei vorstellen kann, wie sie schwer erziehbaren Jugendlichen die Leviten liest, oder mit höchsten politischen Amtsträgern gekonnt smalltalkt.
Obama for President?
Medien spekulieren munter darüber, ob Michelle Obama 2020 oder 2024 möglicherweise selbst in den Wahlkampf ziehen will. Nach dem ersten schwarzen Präsidenten und mit Hillary Clinton der vielleicht ersten Frau dann als erste schwarze Frau. Möglicherweise ist Michelle Obama sich allerdings zu schade für die US-Politik.