Politik/Ausland

UNO-Tribunal fällt am Mittwoch Urteil über Ratko Mladic

Das UNO-Tribunal für Kriegsverbrechen im ehemaligen Jugoslawien (ICTY) wird am Mittwoch in Den Haag sein Urteil über den ehemaligen bosnisch-serbischen Militärchef Ratko Mladic verkünden. Er gilt als Hauptverantwortlicher für den Völkermord in der muslimischen Enklave Srebrenica 1995. Unter seinem Kommando hatten bosnisch-serbische Einheiten die damalige UN-Schutzzone überrannt und anschließend rund 8.000 Männer und Buben ermordet. Demnach werden im Gerichtssaal auch viele Angehörige der Kriegsopfer erwartet.

Sie hoffe, dass Mladic eine lebenslange Haftstrafe erhalten werde, sagte Munira Subasic, Leiterin der "Mütter von Srebrenica", der wichtigsten Vereinigung der Hinterbliebenen, vor ihrer Abreise nach Den Haag gegenüber Medien. "Wohin er auch kam wurde ein Völkermord verübt", meinte Subasic mit Blick auf die auch in anderen Gemeinden verübten Massaker.

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Jasmin Meskovic, Leiter eines Kriegsgefangenenverbandes, erwartet, dass Mladic in allen elf Anklagepunkten schuldig gesprochen wird. Dies wäre eine Gelegenheit, um die Wahrheit hinter den Kriegsgeschehnissen sichtbar zu machen, so Meskovic. Nur dies könne zur Versöhnung und Toleranz in Bosnien beitragen.

"Seine Pflicht erfüllt"

Ebenfalls zu Wort meldete sich der Präsident der Republika Srpska, dem mehrheitlich von Serben bewohnten Teil Bosnien-Herzegowinas, Milorad Dodik. Dieser nahm Mladic in Schutz und meinte dem bosnisch-serbischen TV-Sender RTRS gegenüber, dass jener "sehr professionell und patriotisch seine Pflichten erfüllt" habe.

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Mladic wird die Verantwortung für den Völkermord in der muslimischen Enklave Srebrenica und in sechs weiteren Gemeinden zur Last gelegt, ferner werden ihm auch Vertreibungen, Deportationen, der dreieinhalbjährige Beschuss Sarajevos sowie die Geiselnahme von UNO-Soldaten vorgeworfen. In der Anklage werden mehr als 70 Massaker in 20 Gemeinden aufgelistet, die Folterung und Misshandlung von Zivilisten in 58 Gefängnissen und Gefangenenlagern.

Völkermord ist der Rechtsbegriff für das schlimmste denkbare Verbrechen - Handlungen mit dem Ziel, ein Volk, eine Ethnie oder auch eine Glaubensgemeinschaft zu vernichten. Völkermord, auch unter dem Begriff Genozid geläufig, umfasst nach Artikel 2 der UN-Konvention 260 aus dem Jahr 1948, Handlungen gegen Mitglieder einer nationalen, ethnischen, rassischen oder religiösen Gruppe, die in der Absicht begangen werden, die Gruppe ganz oder zum Teil auszulöschen. Mit dem Beschluss der Konvention 260 wurde der Völkermord international geächtet.

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Urteilsverkündung womöglich ohne Mladic

Indes berichten bosnische und serbische Medien am Dienstag unter Berufung auf seinen Verteidiger Dragan Ivetic, dass die Urteilsverkündung ohne Mladic stattfinden könnte. Ivetic begründete ein mögliches Fernbleiben seines Mandanten mit dessen Gesundheitszustand. Demnach könnte jeder Stress zu einem Herzinfarkt oder Schlaganfall führen, erläuterte der Anwalt unter Berufung auf einen nicht namentlich genannten Arzt. Während seiner 16-jährigen Flucht vor der Justiz hatte der nun 74-jährige Mladic drei Hirnschläge überlebt.

Boulevardblätter in Serbien haben sich am Dienstag ebenfalls mit Mladic befasst, insbesondere mit der Anklage des UNO-Tribunals: "Verbrecherische Strategie des Tribunals: Es gelte Mladic zu verurteilen, er werde in drei Monaten sterben", hieß es im regierungsnahen "Informer". "Haager Doktor Mengele will Ratko Mladic töten", schrieb die Tageszeitung "Kurir" vor ein paar Tagen.

Langjährige Flucht

Mladic wurde nach langjähriger Flucht im Mai 2011 in der Ortschaft Lazarevo in der nordserbischen Provinz Vojvodina festgenommen. Die Haager Ankläger verlangten in ihrem Schlussplädoyer die Höchststrafe für den Angeklagten: lebenslange Haft. Seine Verteidiger plädierten auf Freispruch und versuchten in den vergangenen Monaten, die Urteilsverkündung angesichts Mladics Gesundheitszustandes hinauszuzögern. Mladic selbst zeigte sich während des Prozesses zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen unbeeindruckt und zeigte keine Reue.