Politik/Ausland

Heftige Proteste: Ungarn revoltieren gegen "Sklavengesetz"

Zum vierten Mal binnen fünf Tagen zogen Tausende wütende Ungarn am Sonntag durch Budapest. „Orbán, verschwinde“, skandierte die Menge. Laut Medienberichten hatten sich rund 10.000 Menschen versammelt. Das Land erlebt die heftigsten Proteste seit zehn Jahren. Sie haben sich an der Reform des Arbeitszeitgesetzes entzündet und richten sich nun generell gegen die rechtskonservative Regierung von Ministerpräsident Viktor Orbán. Parallel zur Budapester Aktion wurde auch in sechs anderen ungarischen Städten demonstriert, etwa in Györ und Debrecen.

Im Zentrum der Kritik ist neben Eingriffen ins Justizsystem vor allem die Überstundenregelung, die von Orbáns Fidesz-Partei am Mittwoch gegen den vereinten Widerstand aller Oppositionsparteien im Parlament durchgedrückt wurde: Statt bisher maximal 250 Überstunden im Jahr sind künftig 400 Überstunden zulässig. Diese müssen nicht wie bisher binnen eines Jahres durch Zeitausgleich abgebaut oder finanziell abgegolten werden, sondern erst innerhalb von drei Jahren. Gewerkschafter verurteilten das als „ Sklavengesetz“ und drohen mit einem Generalstreik.

Arbeitskräfte fehlen

Die Regierung versucht, mit der Neuregelung die Folgen des akuten Arbeitskräftemangels abzufedern. Ungarn hat seit Jahren mit der massiven Abwanderung ungarischer Fachkräfte nach Westeuropa zu kämpfen. Zu Hunderttausenden haben gerade junge Ungarn, die jetzt am Arbeitsmarkt schmerzlich fehlen, ihre Heimat verlassen – nicht nur aus wirtschaftlichen, sondern auch aus politischen Gründen: Orbáns selbsterklärter Weg hin zu einer „illiberalen Demokratie“ hat Ungarn das Weite suchen lassen.

Soros beschuldigt

Nach Wien übersiedelt gezwungenermaßen auch die von George Soros gegründete Central European University (CEU). Der liberale ungarischstämmige US-Milliardär und Demokratie-Förderer gilt seit Jahren als „Staatsfeind Nr. 1“ für Orbán. Soros ist in den Augen der Regierungspolitiker auch der Organisator der aktuellen Protestwelle, bei der es vereinzelt zu Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Polizisten samt Tränengaseinsätzen und Festnahmen kam. Es sei eindeutig, „dass Soros die Gewaltaktionen in Budapest organisierte“, behauptete Balazs Hidveghi, Kommunikationsdirektor von Fidesz. Soros und seinem Netz ginge es nur um „Krawalle und Provokation“. All das sei bewusst geplant, wie auch die Gewalt gegen Polizisten, zitierte ihn die ungarische Nachrichtenagentur MTI.

Das Internetportal 24.hu ortete hingegen eine große Unzufriedenheit in der Gesellschaft. Welche Kraft sich dahinter verberge, werde sich in den kommenden Tagen zeigen. Die linksliberale und rechtsradikale Opposition rief am Wochenende zum Zusammenschluss und zur Fortsetzung der Protestaktionen auf.