Politik/Ausland

Ungarn: Offener Antisemitismus im Parlament

In Ungarn sorgt erneut ein antisemitischer Ausfall eines Politikers der rechtsradikalen Oppositionspartei Jobbik für Aufregung. Ungarische Medien berichteten am Dienstag  über "offenen Antisemitismus" im Parlament. Der stellvertretende Fraktionschef der Jobbik, Marton Gyöngyösi, hatte am Montag vor den Abgeordneten gefordert, eine Liste aufzustellen, wie viele Juden im Parlament und in der Regierung in Ungarn sitzen; sie stellten ein "nationales Sicherheitsrisiko" dar.

Gyöngyösi stellte die Forderung im Zusammenhang mit der Debatte um die Gewalteskalation zwischen Israel und radikalen Palästinensern im Gazastreifen und fragte, wann sich das ungarische Außenministerium "endlich auch für die leidenden Palästinenser einsetzen wird". Denn es sei vor allem Israel, das den "Weltfrieden bedroht".

Regierung Orban distanziert sich

Die rechtskonservative Regierung von Premier Viktor Orban distanziert sich einen Tag später von den Äußerungen des Jobbik-Abgeordneten. In einer Aussendung hieß es: Die Regierung tritt entschieden gegen "jegliche extremistische, rassistische, antisemitische Äußerung auf".

Auch Gyöngyösi entschuldigte sich "bei meinen jüdischen Landsleuten" und relativierte seine Aussagen: Seine Forderungen seien nur auf Bürger mit doppelten Staatsbürgerschaften gerichtet gewesen.

Die oppositionellen Sozialisten (MSZP) machten die Politik Orbans und seiner Fidesz-MPSZ-Partei dafür verantwortlich, dass "die öffentliche politische Rede in Ungarn so weit sinken konnte".

Mit einem gelben Stern eröffnete unterdessen der stellvertretende Parlamentspräsident Istvan Ujhelyi am Dienstag die Sitzung der Volksvertretung. Der sozialistische Politiker wollte nach eigener Aussage damit seine Solidarität mit all jenen zum Ausdruck bringen, die am Montag durch Gyöngyösi "beleidigt wurden". Die oppositionelle Demokratische Koalition (DK) will nun bei der Generalstaatsanwaltschaft die Auflösung der Jobbik-Partei betreiben.

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Zentralrat der Juden fordert EU-Vorgehen

Die Raoul-Wallenberg-Vereinigung kritisierte, dass in Ungarn "offener Antisemitismus bereits zum Alltag des Parlaments gehört". Der Zentralrat der Juden in Deutschland hat die EU zu Maßnahmen gegen die Jobbik-Partei aufgefordert. Die Mitgliedsstaaten, das EU-Parlament und die Kommission sollten Budapest "sehr deutlich machen: wer diesen widerlichen Rassismus toleriert, verstößt gegen die elementaren Werte der EU", sagte Zentralratspräsident Dieter Graumann am Mittwoch der Nachrichtenagentur AFP.

Wie die deutschsprachige Tageszeitung Pester Lloyd berichtet, kam es Dienstagnachmittag zu zwei Kundgebungen vor dem Parlament. Etwa 300 Teilnehmer protestierten gegen Jobbik und Gyöngyösis Aussagen.