Politik/Ausland

Ungarn holt sich Land zurück

Rund 200 Österreicher könnten von einem Gesetz gegen „Nießbrauchverträge“ betroffen sein, das das ungarische Parlament am Dienstag beschlossen hat. Ihre Nutzungsverträge mit ungarischen Bodeneigentümern sollen für ungültig erklärt werden, obwohl die österreichischen Bauern die Miete bereits für Jahr(zehnt)e im Voraus bezahlt haben. Außerdem ermöglicht das Gesetz ihre strafrechtliche Verfolgung. Die ungarische Regierung argumentiert, dass die Verträge in den 1990er-Jahren nur geschlossen wurden, um das damals geltende Verbot eines Grunderwerbs durch Ausländer zu umgehen.

Eine erste Version des Gesetzes hatte Staatspräsident Janos Ader im Herbst beanstandet. Das nunmehrige Gesetz geht auf einige Kritikpunkte Aders, der wie Premier Viktor Orban der rechtskonservativen Fidesz-Partei angehört, ein. Er hatte moniert, dass die durch die Liquidierung der Verträge entstehenden Forderungen nicht gerichtlich geltend gemacht werden können.

Das Landwirtschaftsministerium in Wien will das umstrittene Gesetz jetzt unter die Lupe nehmen. „Wir lassen das von unseren Experten genau prüfen“, sagte die Sprecherin von Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter (ÖVP). Derzeit verhalte man sich „abwartend“, weil das Gesetz noch nicht unterzeichnet und veröffentlicht wurde.Beim EU-Agrarministerrat in zehn Tagen will man die Sache noch nicht thematisieren: Man warte die Prüfung durch die EU-Kommission ab. Rupprechter, der schon von „Enteignung“ sprach, hat Binnenmarktkommissar Barnier zu Hilfe gerufen, als sein ungarischer Amtskollege Sandor Fazekas ein Gespräch verweigert hatte.

Klage ist möglich

Kommt die Kommission zu dem Schluss, dass das Gesetz gegen EU-Recht verstößt, wird sie Ungarn wohl eine Frist zur Änderung einräumen. Nächster Schritt wäre ein Vertragsverletzungsverfahren, das in eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof münden könnte. Erst am Mittwoch hat der EuGH eine von Ungarn eingehobene Sondersteuer für den Einzelhandel als Diskriminierung verurteilt.

Das Parlament in Budapest hat unterdessen zwei Monate vor der Parlamentswahl eine weitere Senkung der Energiepreise beschlossen. Außerdem sollen die Gebühren für bestimmte Dienstleistungen (Bankomatabhebungen) gestrichen werden.

Begleitet von lauten Oppositionsprotesten hat das Parlament dem Ausbau des Atomkraftwerks Paks 100 Kilometer südlich von Budapest um zwei Reaktorblöcke zugestimmt. Dafür stellt Russland einen Kredit von 10 Milliarden Euro zur Verfügung.