Politik/Ausland

Ultimatum von Mikl-Leitner nur Drohgebärde

Innenministerin Johanna Mikl-Leitner zieht die juristische Waffe: Sie droht der EU-Kommission mit einer Untätigkeitsklage beim Europäischen Gerichtshof.

Was so schwerfällig klingt, bedeutet konkret: Mikl-Leitner findet, dass die steigende Zahl von Flüchtlingen, Migranten und Asylwerbern, die manche Staaten enorm belasten, die Leitprinzipien der EU, Solidarität und Loyalität, missachtet. Auf Basis eines Gutachtens des Innsbrucker Professors Walter Obwexer will Mikl-Leitner von der Kommission eine Anpassung der Dublin III-Verordnung erzwingen, das heißt eine bessere Aufteilung der Flüchtlinge. Die Brüsseler Behörde habe dafür zwei Monate Zeit, andernfalls folgt die Klage. Obwexer leitet das Vorgehen von Artikel 80 des EU-Vertrages ab (der Artikel koppelt zurück auf Solidarität und Loyalität, Anm. d. Red.).

Bundeskanzler Werner Faymann, der sich seit Langem für eine faires Quotensystem in der EU einsetzt, ließ den Plan vom Verfassungsdienst prüfen. Die juristische Stellungnahme zum Obwexer-Gutachten ist ernüchternd: Artikel 80 "enthält keine weiteren Determinanten, in welche Richtung der Begriff Solidarität zu verstehen ist". Eine Rechtspflicht zur Anpassung der Dublin-Verordnung könne aus Artikel 80 nicht eindeutig abgeleitet werden. Es sei fraglich, ob Österreich überhaupt eine Untätigkeitsklage ergreifen könne.

Universitätsprofessorin Alina Lengauer (Institut für Europarecht der Uni Wien) sieht die Causa ebenfalls skeptisch. "Die rechtliche Begründung, dass es eine Rechtspflicht zum Handeln und zu Änderungen im Hinblick auf ein bestimmtes Ergebnis gibt, teile ich nicht", erklärt sie dem KURIER. Als "politisches Mittel" sei das Vorgehen von Mikl-Leitner aber nachvollziehbar. "Die Frage stellt sich, was man damit erreichen möchte."

Der ehemalige Uni-Professor und Europarechtsexperte Heinz Mayer sieht im Vorgehen der Ministerin ein "richtiges Signal". Es müsse eine Änderung der Dublin-Verordnung geben, "um Belastungen, die durch die Asylbewegung entstehen, auszugleichen".

Die EU-Kommission will im Herbst erneut Pläne zur fairen Aufteilung der Flüchtlinge präsentieren. Die Drohung Mikl-Leitners sieht man gelassen. "Jetzt ist nicht die Zeit für Klagen, sondern für die Umsetzung der ehrgeizigen Migrationsagenda (das Quotensystem), die vor dem Sommer vorgelegt wurde", sagte am Mittwoch eine Kommissionssprecherin.

Im Innenministerium hält man an der Klagsdrohung fest. "Die Ministerin lässt keine Möglichkeit ungenutzt", heißt es im Büro von Mikl-Leitner. Man geht davon aus, dass der Ministerrat in den nächsten zwei Wochen den Brief an Brüssel absegnet.