Politik/Ausland

Ukraine: Poroschenko wird neuer Präsident

Als Erstes müssen wir den Menschen den Frieden zurückbringen", sagte Petro Poroschenko, als er den Wahlzettel in die Urne in seinem Wahlbezirk in Kiew warf: Der ukrainische Unternehmer, liebevoll "Schokoladekönig" genannt, konnte am Sonntag die Präsidentschaftswahl für sich entscheiden. Er ließ seine Konkurrentin Julia Timoschenko, die einstige Galionsfigur der Revolution, weit hinter sich - er kam auf 54,39 Prozent der Stimmen, wie die zentrale Wahlkommission am Montag in Kiew nach Auswertung von 20 Prozent der Stimmzettel mitteilte. Timoschenko erhielt nur 13,2 Prozent, es wird deshalb keine Stichwahl geben.

Am Montag bekräftige der Schoko-Magnat bereits, dass er an Regierungschef Arseni Jazenjuk festhalten wird: „Es gibt meinerseits keine Pläne, den Ministerpräsidenten auszutauschen“, sagte Poroschenko am Montag in Kiew Medien zufolge. „Arseni Petrowitsch (Jazenjuk) arbeitet bisher hervorragend.“

Alle Inhalte anzeigen
Auf Poroschenko, der schon auf dem Maidan eine tragende Rolle gespielt hat, wartet nun eine Mammutaufgabe - die Ukraine erwartet sich von ihm die Einigung des zersplitterten Landes. Wie schwierig das wird, wurde angesichts des Wahlablaufs am Sonntag noch deutlicher: Während in Kiew die Wahllokale aus allen Nähten zu platzen drohten, ließ man die Menschen im Osten den Landes oftmals gar nicht bis zu den Urnen – oder zertrümmerte sie bereits vorsorglich. Teils berichteten Medien vor Ort gar von Übergriffen moskaufreundlicher Kräfte auf Wahlwillige.

"Neurussland" ließ nicht wählen

Wie viele Menschen in den von den Separatisten kontrollierten Regionen tatsächlich zu den Urnen gehen durften, bleibt fraglich. 6,5 Milllionen Einwohner zählen die Regionen Donezk und Lugansk, die sich am Samstag symbolträchtig zum Staate „Neurussland“ zusammentaten - 35 Millionen waren landesweit aufgerufen, abzustimmen.

Im Osten protestierten die Separatisten auch öffentlich gegen die Wahl: Die bewaffneten Aufständischen ließen sich etwa am Lenin-Platz in Donezk bejubeln, dort schwärmten sie auf Tribünen vom neuen Glück im Osten: "Der europäische Mensch ist fett und verweichlicht", tönte etwa ein Redner. In der Stadt hatte kein einziges Wahllokal geöffnet, Wahlzettel wurden verbrannt. Die Separatisten marschierten auch zum Wohnsitz von Rinat Achmetow – jenem Oligarchen, der zuletzt immer wieder zum Widerstand gegen die Anschlusswilligen aufgerufen hatte, kürzlich sogar seine Arbeiter dafür auf die Straßen schickte. In Slawjansk, das mittlerweile zur Gänze in der Hand der prorussischen Rebellen ist, wurde am Samstag ein italienischer Fotojournalist getötet: Andrea Ronchelli kam bei einem Mörserbeschuss ums Leben.

Neue Gewalt nach der Wahl

Die Gewalt ging auch am Montag weiter: Bewaffnete prorussische Separatisten haben die Schließung des Flughafens in Donezk erzwungen.

Bei Slawjansk wurden mindestens zwei prorussische Separatisten getötet. Proukrainische Truppen hätten die Leichen der Männer nach einer Schießerei an einem Kontrollposten gefunden, teilte der Sprecher des Militäreinsatzes mit. Demnach haben die moskautreuen Kämpfer versucht, aus dem Belagerungsring um die Separatisten-Hochburg Slawjansk auszubrechen. Der Angriff sei abgewehrt worden.

Zudem seien am Vortag bei einem Einsatz im Norden des Gebiets Lugansk zwei "Terroristen" getötet und 13 festgenommen worden.

In Kiew hingegen war die Lage am Wahltag entspannt - und die Schlangen vor den Wahllokalen waren lang. Dort stellten sich auch viele an, die vor der Wahl versucht hatten, ihre Adressen umzumelden, um nicht in jenen Gebieten wählen zu müssen, in denen die Wahlurnen vorsorglich auf den Müll geworfen wurden. Im Zentrum Kiews stellte man Zelte auf, um die Unterstützer aus dem Osten unterzubringen.

Alle Inhalte anzeigen
"Probleme“ bei der Stimmabgabe gab es am späteren Vormittag nur im Wahllokal 800588 in der Hruschewsky-Straße – dort, wo „SchokoladekönigPoroschenko selbst wohnt. Mehr als 100 Journalisten hielten das Wahllokal dort besetzt, um ein Foto des Wahlsiegers zu erhaschen. Eine Dame vor Ort nahm‘s locker - gegenüber derAPA zeigte sie sich auch entspannt, was den Wahlausgang anging: "Wissen Sie - die Hoffnung stirbt zuletzt. Wenn es mit dem Wahlsieger nicht funktioniert, dann werden wir ein Amtsenthebungsverfahren einleiten", so ihre kämpferische Ansage.

Er wollte eigentlich Präsident werden, jetzt ist er Bürgermeister von Kiew: Vitali Klitschko, eine der Identifikationsfiguren des Maidan, hat am Sonntag die Bürgermeisterwahl in Kiew für sich entschieden. Laut einer ersten Nachwahlbefragung erhielt der ehemalige Profiboxer 57,4 Prozent der Stimmen. Für ihn gehe "ein Traum in Erfüllung", schrieb Klitschko in einem Beitrag für die "Bild"-Zeitung vom Montag. "Ich bin überwältigt von dem Vertrauen, das mir entgegen gebracht wurde."

Klitschko hatte bereits 2006 und 2008 bei der Abstimmung jeweils verloren, eine Kandidatur für das Präsidentenamt hatte er - wohl wegen wenig Aussicht auf Erfolg - ausgeschlagen.

Einer seiner Konkurrenten im Rennen um das Amt war übrigens eine noch etwas bekanntere Figur als er selbst: Die ukrainische "Internetpartei" hatte Darth Vader nominiert; nach dem anfänglichen Gerangel um seine Kandidatur (siehe Galerie unten) durfte er selbst aber nicht wählen.

Am Tag der Präsidentschaftswahl in der Ukraine ist Russlands Regierungschef Dmitri Medwedew überraschend auf die annektierte Krim gereist: Der Ministerpräsident traf am Sonntagnachmittag auf der Schwarzmeerhalbinsel ein - für die ukrainische Übergangsregierung in Kiew warf Moskau eine Provokation. Die sei "eine besondere Unverschämtheit und eine absichtliche Provokation", erklärte das Außenministerium in Kiew unmittelbar nach Medwedews Landung. Ziel Russlands sei es, die Lage in der Ukraine "zu destabilisieren".

Danach sah es aber zunächst nicht aus - denn die ukrainische Grenzkontrolle hatte am Sonntag einen russischen Truppenrückzug, den Moskau zuvor angekündigt hatte, bestätigt. Jedoch würde Russland an bestimmten militärischen Orten, Kontrollsysteme beibehalten, sagte der Leutnant General des staatlichen Grenzservice, Victor Myshakovskyy, am Sonntag der Presse. "Wir waren niemals bedroht von der militärischen Gefahr eines Konflikts mit diesem Land", ergänzte Myshakovskyy mit Bezug auf Russland.

Weniger Grenzverletzungen

Am Wahltag am Sonntag hatte es bis zum Nachmittag im Gegensatz zu den Befürchtungen und im Vergleich zur Vorwoche "weniger Grenzverletzungen" gegeben. "Drei Angriffe und sechs Verwundete" seien in den vergangenen 24 Stunden zu vermelden, sagte Myshakovskyy. Die Angriffe hätten zurückgeschlagen werden können. Die größte Herausforderung sei die Gebietsgrenze der umkämpften Ostregionen Donezk und Luhansk. Tausende hätten seit dem Einsatz an den Grenzen zurückgehalten werden können. Vom Süden gebe es Versuche die Grenzen zu durchbrechen. "Die Situation bleibt komplex, aber kontrolliert."