Ukraine: Vom Waffenstillstand ist kaum was übrig
Von Stefan Schocher
Wer wo steht auf dem Gelände des Flughafens der Millionenstadt Donezk, ist dieser Tage nicht so klar. Klar ist nur: Seit Tagen wird gekämpft. Eine Offensive der Separatisten scheinen die ukrainischen Verbände in den zertrümmerten Terminalgebäuden zurückgeschlagen zu haben. Eine Brücke über die Autobahn vom Flughafen in die Stadt wurde anscheinend von Separatisten gesprengt, was als defensive Notlösung interpretiert wurde, um einem raschen Gegenschlag der ukrainischen Verbände vorzubeugen.
Der Flughafen Donezk ist zum hauptsächlichen Zankapfel zwischen den Separatisten und den ukrainischen Verbänden geworden. Ein mehr symbolisch als strategisch wichtiger Trümmerhaufen, auf den beide Seiten Anspruch erheben. Vom in Minsk vergangenen September vereinbarten Waffenstillstand zwischen den Separatisten und den ukrainischen Verbänden ist wenig bis kaum etwas übrig. Mindestens 24 Menschen sollen in den vergangenen Tagen bei Gefechten getötet, Dutzende verletzt worden sein.
Diplomatie
Und auf diplomatischer Ebene sind die Fronten festgefahren (mehr dazu siehe hier). Russland schickte der Führung in Kiew einen Friedensvorschlag. Wenig Konkretes drang durch: „Dringende Schritte“ zur Beendigung der Kämpfe müssten unternommen werden, zitierte die Agentur Itar-Tass. Kiew lehnte ab und forderte Russland postwendend auf, das Minsker Waffenstillstandsabkommen zu unterzeichnen – was Russland ja bisher unter dem Verweis zurückgewiesen hat, in dem Konflikt keine Partei, sondern Vermittler zu sein. Das wiederum widerspricht komplett der Sichtweise Kiews, das sich direkt von Russland attackiert sieht.
Raketenwerfer
Die Gerätschaften, mit denen die Separatisten der Donezker Volksrepublik (DNR) und der Lugansker Volksrepublik (LNR) indes prahlen, lassen kaum einen anderen Schluss zu, als dass zumindest Material in großem Umfang aus Russland geliefert wird. Zuletzt hatten die Separatisten bei den Kämpfen um den Flughafen von Donezk modernste Raketenwerfer russischer Bauart eingesetzt, wie sie auch nur die russische Armee besitzt. In Donezk selbst wurde dieser Tage wiederum eine schwere Radarstation gesichtet. Und die Lugansker Volksrepublik verfügt über Radpanzer, wie sie sonst nur die russischen Grenztruppen besitzen. Die Beobachter der OSZE untersuchten indes Krater nahe der Stadt Wolnowakha südöstlich von Donezk, wo vergangene Woche 12 Menschen in einem Linienbus starben, als dieser in einen Raketenhagel geriet. Das Ergebnis: Die Raketen kamen aus Nordost, Gebiet unter der Kontrolle der Separatisten – die ihrerseits jede Schuld zurückweisen. Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko schwor unterdessen in einer Rede, dass Kiew die Kontrolle über abtrünnige Regionen wiedergewinnen werde. Kein Stück Land werde aufgegeben.