Friedensgespräche im Sommer: Was hinter Macrons "geheimen“ Ukraine-Plänen steckt
Von Evelyn Peternel
Knapp ein Jahr ist es her, dass die Gespräche zwischen Moskau und Kiew wegen der Massaker von Butscha auf Eis gelegt wurden. Seither gab es einige fruchtlose Versuche, Gang in die diplomatischen Bemühungen zu bringen – Frankreichs Präsident Macron will das nun ändern: Er will Russland und die Ukraine im Sommer an den Verhandlungstisch bringen.
Wie realistisch ist das? Der KURIER beantwortet die wichtigsten Fragen dazu.
Was genau ist Macrons Plan?
Laut Medienberichten soll Frankreichs Präsident seinen außenpolitischen Berater Emmanuel Bonne beauftragt haben, gemeinsam mit Chinas Spitzendiplomat Wang Yi einen Rahmen für Verhandlungen zu schaffen. Nach Wunsch des Élysée-Palasts sollen die Gespräche noch im Sommer beginnen.
Wie, wann und in welchem Format, ist aber völlig unklar – mehr Details gibt Paris noch nicht preis. Wahrscheinlich ist jedenfalls, dass Macron die Initiative bei seinem Staatsbesuch in Peking vor Kurzem lanciert hat. Damals sagte er auch öffentlich, dass Peking der einzige Player weltweit sei, der „Moskau wieder zur Vernunft bringen“ könnte.
Wie realistisch ist dieses Szenario?
Beobachter sind skeptisch, was die Aussichten von Macrons Plänen angeht. Denn bisher hat Peking wenig Anstalten gemacht, sich aus seinem Naheverhältnis zu Moskau zu lösen. Die beiden Länder haben eine enge wirtschaftliche Kooperation, Moskau liefert viel jenes Öls, das es nicht mehr Richtung Westen verkauft, nach China; Peking investiert massiv in Russland, vor allem im bodenschatzreichen Sibirien.
Auch öffentlich ist Chinas Präsident Xi Jinping nicht gerade unparteiisch: Er war kürzlich mit viel Pomp Staatsgast Putins, mit Wolodimir Selenskij hat er seit Kriegsbeginn kein einziges Mal telefoniert. Die Formel Pekings lautet unverdrossen: „Alle Beteiligten sollen sich auf halbem Weg treffen“ – für Kiew würde das bedeuten, essenzielle Interessen aufzugeben und Gebiete abzutreten. Das war auch Inhalt des 12-Punkte-Friedensplans, den Peking präsentierte, und der international auf Ablehnung stieß.
Wie will Macron die Kriegsparteien an einen Tisch bekommen?
Das ist die Kernfrage: Mit welchen Druckmitteln kann man agieren? Wirtschaftlich ist tatsächlich Xi wohl der einzige Akteur, der Putin an einen Verhandlungstisch drängen könnte – das würde Chinas starker Mann aber nur tun, wenn er im Gegenzug dafür etwas bekommt.
Beobachter unken nun, dass Macron eine Gegenleistung bereits erbracht hat: Er hatte einen massiven Wirbel losgetreten, als er nach seinem Peking-Besuch davon sprach, dass Europa sich vom rigiden Anti-China-Kurs der USA nicht beeinflussen lassen dürfe und vor allem in der Taiwan-Frage eigenständiger sein müsse – sich also, salopp gesagt, besser aus dem Konflikt raushalten solle.
In Brüssel und in anderen europäischen Hauptstädten wurde das als unnötiger Kniefall vor Xi gewertet. Dementsprechend gering ist auch der Wille, Macron bei Initiativen wie der jetzigen zu unterstützen, zumal sein Vorgehen auch vorab nicht akkordiert gewesen sein dürfte. In Großbritannien, das Kiew ja militärisch stark unterstützt, wurden seine Pläne als „gefährlich“ kritisiert, Macron selbst sogar als „falsche Schlange“ tituliert. Er wolle lediglich von den innerfranzösischen Protesten gegen die Pensionsreform ablenken, hieß es.
Kann Frankreich allein etwas ausrichten?
Definitiv nicht. Wirtschaftlich hat Paris China zu wenig anzubieten, um tatsächlich Druck ausüben zu können. Es ist nicht mal klar, dass Macron Xi davon abhalten konnte, Waffen zu liefern: Laut ukrainischen Militärexperten würden sich in russischen Raketen zunehmend chinesische Komponenten finden. Dazu kommt, dass Macron auch in Moskau nicht als Akteur von Gewicht wahrgenommen wird, sondern eher als Wendehals, der sich manipulieren lässt. Und auf Kiew kann Frankreich am wenigsten einwirken: Paris liefern gerade mal 1,5 Prozent jener Waffen nach Kiew, die die USA schicken.