Ukraine: Rechter Sektor soll Verhandlungen führen
Von Stefan Schocher
Alles andere hätte wahrscheinlicher geklungen als die Übereinkunft, wie sie die Agentur UNIAN am Montag verkündete: Demnach hätten Behörden und außerparlamentarische Opposition in der Ukraine prinzipiell eine Einigung erzielt. Laut dieser sollen die Behörden bis Freitag mehr als 100 gefangene Demonstranten aus der Haft entlassen. Im Gegenzug würde die Protestbewegung zwei neuralgische Punkte freigeben: Die besetzte Stadtverwaltung von Kiew sowie die Barrikade an der zum Regierungsviertel und Parlament führenden Gruschewskogo-Straße. Dort stehen Sondereinheiten der Polizei und Demonstranten einander starr gegenüber.
Laut anderen ukrainischen Medien war aber nur davon die Rede, dass Verhandlungen laufen: Man habe sich aufseiten der Protestbewegung intern auf mögliche Verhandlungsmasse sowie auf Verhandlungsführer (bestimmt wurde der Rechte Sektor, ein loser Zusammenschluss nationalistischer Gruppen sowie der Verband der Afghanistan-Veteranen) geeinigt. Eine Einigung mit den Behörden wurde ausdrücklich dementiert.
Erst in der Vorwoche war im Parlament eine Amnestie beschlossen worden. Die ukrainische Führung hatte diese jedoch an die Bedingung geknüpft, dass alle besetzten Verwaltungsgebäude und Barrikaden in Kiew aufgegeben werden. Die politische Opposition, allen voran Vitali Klitschko, hatte dies zurückgewiesen und die bedingungslose Freilassung der Festgehaltenen gefordert.
Unklar war zunächst, inwieweit die Verhandlungen des Rechten Sektors und der Afghanistan-Veteranen in Abstimmung mit parlamentarischen Oppositionsparteien geführt werden. Denn nur wenige Stunden vor deren Bekanntwerden hatte Oppositionspolitiker Arseni Jazenjuk die Bereitschaft bekundet, sich an einer Regierungsbildung beteiligen zu wollen. Das, nachdem der Geheimdienst SBU Ermittlungen gegen die von ihm angeführte „Vaterlandspartei“ wegen versuchten Staatsstreichs eingeleitet hatte.
Streifzug durch Kiew:
Nach viertägigem Krankenstand kehrte der ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch am Montag wieder ins Amt zurück. Am Dienstag war ein Treffen mit EU-Außenbeauftragter Catherine Ashton geplant. Seitens der EU werden derzeit zwei Maßnahmen beraten und vorbereitet: Sowohl Finanz-Hilfe für das wirtschaftlich angeschlagene Land als auch mögliche Sanktionen gegen ausgewählte Vertreter der ukrainischen Führung. Ein Kandidat für einen Platz auf so einer Sanktionsliste wäre Ex-Premier Mykola Azarow. Nach seinem Rücktritt vergangene Woche war Azarow nach Wien geeilt, wo auch sein Sohn lebt und er eine Reihe an Firmen besitzt. Am Montag reisten beide nach Kiew ab.