EU gibt eine Milliarde für Ukraine frei
Die Verbindungen zwischen Wien und Kiew sind weiter Thema: Am Montag wurde bekannt, dass die Staatsanwaltschaft Wien nun gegen mehrere Personen aus dem Umfeld der gestürzten ukrainischen Regierung wegen Geldwäsche und Verletzung der Sanktionen ermittelt (siehe unten). Das geht aus einer Antwort des Justizministeriums auf eine parlamentarische Anfrage der NEOS hervor.
In der Ostukraine spitzt sich die Lage indes weiter zu. Montag früh ist das Ultimatum der Übergangsregierung in Kiew abgelaufen – sie hatte die prorussischen Separatisten aufgefordert, die Waffen niederzulegen und die besetzten Verwaltungsgebäude zu räumen. In Slawjansk rund 600 Kilometer östlich der Hauptstadt Kiew halten prorussische Aktivisten mehrere Verwaltungsgebäude besetzt.
Von Einlenken aber keine Spur: Trotz der Zusicherung, dass jene, die die Waffen niederlegen, strafrechtlich nicht belangt werden, gaben die Separatisten nicht auf. Kiew rüstet jetzt wie angedroht zu einem "groß angelegten Anti-Terror-Einsatz" unter Beteiligung der Streitkräfte, um die Unruhen im Osten des Landes zu beenden. Das Innenministerium in Kiew hat 350 Reservisten der neu gegründeten Nationalgarde zum Einsatz in der krisengeschüttelten Ostukraine einberufen. Die Lage in der Region Donbass "wird bald stabilisiert", sagte Übergangs-Präsident Alexander Turtschinow am Montag und drohte erneut mit einem Militäreinsatz.
Die neue Regierung in Kiew erwägt nun eine Volksabstimmung in den östlichen Landesteilen über deren Verbleib in der Ukraine. Das Referendum könnte parallel zur Präsidentenwahl am 25. Mai abgehalten werden, sagte Turtschinow.
Finanzspritze aus Brüssel
Die Minister beschlossen zudem, vier weitere Namen auf die Liste der Personen zu setzen, deren Konten in der EU wegen der Veruntreuung ukrainischer Staatsgelder gesperrt werden. Unter anderem befindet sich bereits der frühere ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch auf dieser Liste mit jetzt 22 Namen. Die Identitäten der vier neuen Betroffenen wurden zunächst nicht mitgeteilt.
Warnung vor "Bürgerkrieg"
Inwieweit die Geschehnisse vor Ort nur Säbelrasseln sind, lässt sich indessen aber schwerlich sagen: Kommentatoren sehen dies eher als Drohung in Richtung prorussischer Separatisten und nicht als Vorbereitung von Kämpfen. Moskau warnte die Ukraine jedenfalls nachdrücklich vor einem Militäreinsatz, der zu einem "Bürgerkrieg" führen könne.
Moskau sei "empört über den verbrecherischen Befehl" von Präsident Turtschinow, der die Proteste von der Armee niederschlagen lassen wolle, teilte das Außenamt in Moskau am Sonntag mit. "Gerade vom Westen hängt es jetzt ab, einen Bürgerkrieg in der Ukraine zu vermeiden." Turtschinow hatte Russland zuvor vorgeworfen, "Krieg" gegen sein Land zu führen. "Wir lassen nicht zu, dass Russland das Krim-Szenario in den östlichen Regionen der Ukraine wiederholt."
Russland im Sicherheitsrat isoliert
Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) hat aufgrund der Eskalation eine Sondersitzung des Ständigen Rats einberufen. Das Gremium, in dem Vertreter aus 57 Staaten sitzen, kommt am Montagnachmittag in Wien zusammen.
USA erwägen Waffenlieferungen
Die USA überlegen indessen Waffen an die Ukraine zu lieferm. "Wir betrachten das als eine Option", sagte der US-Diplomat und Berater von Außenminister John Kerry, Thomas Shannon, am Montag in Berlin. Die ukrainische Führung hat die USA nach Angaben aus US-Regierungskreisen bereits vor einiger Zeit um die Lieferung von Waffen gebeten. Dieser Bitte kam die Regierung in Washington zunächst jedoch nicht nach, sondern beschloss lediglich, die ukrainische Armee mit Lebensmitteln zu unterstützen.
Mehrere Tote in Slawjansk
Schützenpanzer der Regierungseinheiten versperrten Zufahrten, über der Stadt mit mehr als 100.000 Einwohnern kreisten Militärhubschrauber. Das ukrainische Fernsehen berichtete am Abend, Slawjansk sei von prorussischen "Selbstverteidigungskräften" abgeriegelt. Die Bewaffneten hätten die Stadt weitgehend unter Kontrolle, von Regierungskräften sei nichts zu sehen.
Auch in der ostukrainischen Stadt Charkiw (Charkow) wurden bei Zusammenstößen von Gegnern und Anhängern einer Annäherung an Russland etwa 50 Menschen verletzt. Rund 1000 prorussische Demonstranten seien unter anderem mit Sowjet-Fahnen durch das Zentrum der Stadt marschiert und mit mehreren hundert prowestlichen Aktivisten aneinandergeraten.
Putin ernannte Aksjonow zum Übergangsgouverneur für die Krim
Der russische Präsident Putin hat Montagabend den prorussischen Krim-Regierungschef Sergej Aksjonow zum Übergangsgouverneur der Schwarzmeer-Halbinsel ernannt. Wie die Nachrichtenagentur Ria Nowosti meldete, nahm Aksjonow die Ernennung an. Putin erklärte, die im März erfolgte Eingliederung der Krim in die Russische Föderation sei vor allem Aksjonows Verdienst. Der Staatschef forderte Aksjonow zugleich auf, die ursprünglich für 2015 vorgesehene Parlamentswahl auf den 14. September vorzuziehen, wenn auch in allen anderen russischen Regionen gewählt wird. Der neue Interimsgouverneur versicherte: "Die Krim ist bereit". Aksjonow fügte hinzu, derzeit würden auf der Krim täglich 20.000 russische Pässe ausgegeben. Es gebe "nichts zu befürchten", die Wahl werde "normal ablaufen". Aksjonow war wenige Tage nach dem Umsturz in Kiew am 27. Februar zum Regierungschef der autonomen Teilrepublik Krim gewählt worden. Der 41-Jährige war einer der Hauptorganisatoren des Volksentscheids vom 16. März, bei dem sich die Krim-Bewohner mit überwältigender Mehrheit für die Eingliederung in die Russische Föderation aussprachen. Die ukrainische Umsturzregierung beschuldigt Aksjonow, der auf den Sanktionslisten von USA und EU geführt wird, des Angriffs auf die territoriale Unversehrtheit der Ukraine.
Die Staatsanwaltschaft Wien ermittelt gegen mehrere Personen aus dem Umfeld der gestürzten ukrainischen Regierung. Das geht aus einer Antwort des Justizministeriums auf eine parlamentarische Anfrage der NEOS hervor. Der Vorwurf lautet auf Geldwäsche und Verletzung der Sanktionen gegen russische und ukrainische Führungsfiguren.
Gegen wen konkret ermittelt wird, geben die Behörden aus rechtlichen Gründen nicht bekannt, teilte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft der APA am Montag schriftlich mit. Es könnte sich damit auch um hochrangige Angehörige der gestürzten Führung der Ukraine handeln. Das Verfahren läuft seit Anfang 2014 und wurde nach einer Geldwäsche-Verdachtsmeldung des Bundeskriminalamts aufgenommen. Das Justizministerium hat die Generalstaatsanwaltschaft der Ukraine ersucht, ein Rechtshilfeersuchen vorzulegen und darin den Tatverdacht gegen die betroffenen Personen zu konkretisieren.
Kontakte nach Österreich
Nach Österreich haben mehrere mit der gestürzten Regierung von Präsident Viktor Janukowitsch eng verbundene Figuren gute Kontakte. So war der Regierungschef von Janukowitsch, Nikolai Asarow, hier geschäftlich tätig und soll sich nach seiner Absetzung kurzzeitig bei seiner in Wien ansässigen Familie aufgehalten haben. In Wien inhaftiert ist der ukrainische Gas-Milliardär Dmitry Firtasch (Firtash), der eng vor dessen Sturz mit Janukowitsch verbunden war.
Bereits 2012 ermittelten die Behörden überdies gegen einen engen Vertrauen des gestürzten Präsidenten Janukowitsch, dessen früheren Präsidialamtsleiter Andrij Kljujew (Klujew), die zuletzt die "Presse" berichtete. Die Ermittlungen, die aufgrund eines "Schreibens von drei Personen, darunter Journalisten und Parlamentsmitglieder, aufgenommen" wurden, seien seither allerdings eingestellt worden, heißt es von der Staatsanwaltschaft.
Bereits Ende Februar hatte Österreich auf Ersuchen der neuen Regierung in Kiew die Konten von 18 Ukrainern bei heimischen Banken wegen des Verdachts von Korruption oder möglicher Menschenrechtsverletzungen eingefroren. Die EU und die USA haben seither im Zuge der Krim-Krise Führungsfiguren aus Russland und der Ukraine mit Sanktionen belegt.
Die Krim-Krise befeuert derzeit die Sorgen um die Erdgasversorgung Europas. Die EU bezieht ein Drittel ihres Bedarfs an Gas aus Russland. Davon fließen rund 50 Prozent über die Ukraine. Russlands Präsident Wladimir Putin hatte Europa vergangene Woche wegen des Ukraine-Konflikts vor Engpässen bei den Gaslieferungen gewarnt.
Der Iran könnte nach den Worten seines Industrieministers Mohammad Reza Nemazadeh ein neuer Gaslieferant für Europa werden. "Iran kann ein zuverlässiger, sicherer und dauerhafter Partner Europas werden", sagte der Minister in einem Interview mit dem Handelsblatt vom Montag. Sein Land habe sowohl die Energiereserven als auch Pläne für eine Zusammenarbeit.
"Wollen Rolle auf internationalem Gasmarkt spielen"
"Wir wollen auf dem internationalen Gasmarkt künftig eine große Rolle spielen", sagte Nemazadeh der Zeitung. Sein Land habe inzwischen die größten Erdgasreserven der Welt und verfolge derzeit ein großes Pipelineprojekt, um Erdgas aus dem Süden des Iran in den Nordwesten an die türkische Grenze zu pumpen. Von dort könne Gas in den Westen exportiert werden.
Verträge mit einem Schweizer und einem spanischen Unternehmen sowie mit dem Konzern Shell hätten wegen der Sanktionen gegen sein Land auf Eis gelegen. "Jetzt kann das neu entstehen", sagte der Industrieminister, der dem Handelsblatt zufolge in Berlin mit Vertretern des deutschen Mittelstands und deutscher Konzerne zusammentraf. Der Iran wolle Russland aber "keine Konkurrenz machen", sagte der Minister weiter.