Anti-Terror-Einsatz gegen Separatisten
Der Wahltag ging im Osten der Ukraine ob der großen Sicherheitsaufgebots relativ ruhig über die Bühne – der prowestliche Milliardär Petro Poroschenko ist am Montag offiziell zum Sieger erklärt worden. Kaum war die Wahl geschlagen (mehr dazu hier), hat sich die Situation aber wieder zugespitzt.
Vor allem in Donezk kam es wieder zu Kämpfen: Der Flughafen der Regionalhauptstadt Donezk war in der Nacht von Separatisten besetzt worden, am frühen Nachmittag hat es eine Explosion und heftigen Schusswechsel gegeben. Eine schwarze Rauchwolke sei über einem Gebäude zu sehen, über dem Flughafen war der Lärm von Kampfjets zu hören. Die ukrainische Armee hat darauf mit Gewalt reagiert: Es laufe ein "Anti-Terror-Einsatz" an dem Airport, seitdem um 13.00 Uhr Ortszeit (12.00 Uhr MESZ) ein Ultimatum an die Besetzer abgelaufen sei, teilte ein Militärsprecher mit. Bodentruppen würden dabei von Kampfhubschraubern mit Fallschirmjägern unterstützt.
Schließung erzwungen
Nach Ansicht der Separatisten gehören die Regionen Donezk und Luhansk nicht mehr zur Ukraine – offenbar auch eine Ansage an den neu gewählten Präsidenten des Landes: Petro Poroschenko, der im ersten Durchgang den Sieg für sich verbuchen konnte, hatte den prorussischen Separatisten im Osten des Landes zuvor den Kampf angesagt.
Poroschenko will in den Osten reisen
Poroschenko will zudem im Konflikt um die von Russland annektierte Schwarzmeerhalbinsel Krim rasch "zurück zum Status quo", wie er am Montag sagte: "Das ist sehr schädlich für die ganze Welt." Die wirtschaftlichen Konsequenzen für Russland seien groß. Er kündigte an, alle rechtlichen internationalen Mittel gegen das Vorgehen Russlands auf der Krim ausschöpfen zu wollen - auf UNO-Ebene und beim Menschenrechtsgerichtshof.
"Frieden nicht ohne Russland"
Von den Gesprächen mit Russlands Präsident Wladimir Putin erwartet sich Poroschenko unmittelbare Ergebnisse. "Wir kennen einander sehr gut. Die Gespräche in der ersten Junihälfte werden nicht nur ein Shake-Hand, sondern unmittelbare Ergebnisse bringen. Frieden im Osten herzustellen, geht nicht ohne Russland. Die Leute im Osten warten auf diese Ergebnisse." Er wolle mit allen Leuten im Donbass reden, und ihr Vertrauen gewinnen.
Separatisten, die im Waffenbesitz seien, aber bisher keine Verbrechen verübt hätten, würde bei Waffenabgabe Amnestie gewährt. "Die, die an den Kämpfen teilnehmen, werden wir niemals im Land erlauben."
Als Erstes müssen wir den Menschen den Frieden zurückbringen", sagte Petro Poroschenko, als er den Wahlzettel in die Urne in seinem Wahlbezirk in Kiew warf: Der ukrainische Unternehmer, liebevoll "Schokoladekönig" genannt, konnte am Sonntag die Präsidentschaftswahl für sich entscheiden. Er ließ seine Konkurrentin Julia Timoschenko, die einstige Galionsfigur der Revolution, weit hinter sich - er kam auf 54,39 Prozent der Stimmen, wie die zentrale Wahlkommission am Montag in Kiew nach Auswertung von 20 Prozent der Stimmzettel mitteilte. Timoschenko erhielt nur 13,2 Prozent, es wird deshalb keine Stichwahl geben.
Am Montag bekräftige der Schoko-Magnat bereits, dass er an Regierungschef Arseni Jazenjuk festhalten wird: „Es gibt meinerseits keine Pläne, den Ministerpräsidenten auszutauschen“, sagte Poroschenko am Montag in Kiew Medien zufolge. „Arseni Petrowitsch (Jazenjuk) arbeitet bisher hervorragend.“
"Neurussland" ließ nicht wählen
Wie viele Menschen in den von den Separatisten kontrollierten Regionen tatsächlich zu den Urnen gehen durften, bleibt fraglich. 6,5 Milllionen Einwohner zählen die Regionen Donezk und Lugansk, die sich am Samstag symbolträchtig zum Staate „Neurussland“ zusammentaten - 35 Millionen waren landesweit aufgerufen, abzustimmen.
Im Osten protestierten die Separatisten auch öffentlich gegen die Wahl: Die bewaffneten Aufständischen ließen sich etwa am Lenin-Platz in Donezk bejubeln, dort schwärmten sie auf Tribünen vom neuen Glück im Osten: "Der europäische Mensch ist fett und verweichlicht", tönte etwa ein Redner. In der Stadt hatte kein einziges Wahllokal geöffnet, Wahlzettel wurden verbrannt. Die Separatisten marschierten auch zum Wohnsitz von Rinat Achmetow – jenem Oligarchen, der zuletzt immer wieder zum Widerstand gegen die Anschlusswilligen aufgerufen hatte, kürzlich sogar seine Arbeiter dafür auf die Straßen schickte. In Slawjansk, das mittlerweile zur Gänze in der Hand der prorussischen Rebellen ist, wurde am Samstag ein italienischer Fotojournalist getötet: Andrea Ronchelli kam bei einem Mörserbeschuss ums Leben.
Neue Gewalt nach der Wahl
Die Gewalt ging auch am Montag weiter: Bewaffnete prorussische Separatisten haben die Schließung des Flughafens in Donezk erzwungen.
Bei Slawjansk wurden mindestens zwei prorussische Separatisten getötet. Proukrainische Truppen hätten die Leichen der Männer nach einer Schießerei an einem Kontrollposten gefunden, teilte der Sprecher des Militäreinsatzes mit. Demnach haben die moskautreuen Kämpfer versucht, aus dem Belagerungsring um die Separatisten-Hochburg Slawjansk auszubrechen. Der Angriff sei abgewehrt worden.
Zudem seien am Vortag bei einem Einsatz im Norden des Gebiets Lugansk zwei "Terroristen" getötet und 13 festgenommen worden.
In Kiew hingegen war die Lage am Wahltag entspannt - und die Schlangen vor den Wahllokalen waren lang. Dort stellten sich auch viele an, die vor der Wahl versucht hatten, ihre Adressen umzumelden, um nicht in jenen Gebieten wählen zu müssen, in denen die Wahlurnen vorsorglich auf den Müll geworfen wurden. Im Zentrum Kiews stellte man Zelte auf, um die Unterstützer aus dem Osten unterzubringen.