Politik/Ausland

Marsch gegen Erdogan steuert auf Istanbul zu

Der türkische Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu hat die Kritik der Regierung an seinem "Marsch für Gerechtigkeit" entschieden zurückgewiesen. "Es ist kein Gefallen der Regierung, sondern unser verfassungsmäßiges Recht zu marschieren", sagte Kilicdaroglu der Nachrichtenagentur AFP am Samstagnachmittag während einer Pause auf der Landstraße von Ankara nach Istanbul.

Zum Vorwurf von Präsident Recep Tayyip Erdogan, er ergreife mit dem Protestmarsch Partei für "Terroristen", sagte Kilicdaroglu: "Diese Worte sind eines Diktator angemessen."

Gegen das "Korsett der Angst"

Erdogan hatte dem CHP-Vorsitzenden vorgeworfen, "Terroristen und ihre Unterstützer schützen" zu wollen. Mit dem Protestmarsch habe er "die Straße nach Kandil und Pennsylvania" eingeschlagen, sagte Erdogan mit Blick auf das Hauptquartier der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) in den nordirakischen Kandil-Bergen und den Wohnsitz des islamischen Predigers Fethullah Gülen in den USA, der für den gescheiterten Militärputsch vom 15. Juli verantwortlich gemacht wird.

"Seine Wut auf uns zeigt, dass wir recht haben, diesen Marsch zu unternehmen", sagte Kilicdaroglu zu Erdogans Äußerungen. Der Protestmarsch, an dem sich zuletzt täglich mehr als 10.000 Menschen beteiligten, sei "ein Erfolg". Er sei für die Menschen eine Gelegenheit, sich des "Korsetts der Angst" zu entledigen, in das die Regierung sie mit der Verhängung des Ausnahmezustands nach dem Putschversuch um vergangenen Juli gezwungen habe, sagte der CHP-Chef.

Mehr Menschen als erwartet

"Erdogan versucht unseren Marsch zu kriminalisieren. Doch ich bin bereit, den nötigen Preis zu zahlen, um der Türkei Demokratie und Gerechtigkeit zu bringen", versicherte Kilicdaroglu. Obwohl 38 Grad herrschten, würden weit mehr Menschen teilnehmen als erwartet. Inzwischen habe die Menge gar eine Größe erreicht, dass ihre Versorgung Probleme bereite, sagte der CHP-Chef. Statt zum Marsch sollten die Leute daher lieber zur Abschlusskundgebung kommen.

Kilicdaroglu hatte den 430 Kilometer langen Marsch am 14. Juni in der türkischen Hauptstadt Ankara begonnen, um gegen die Inhaftierung des CHP-Abgeordneten Enis Berberoglu zu protestieren, der wegen eines Artikels über geheime Waffenlieferungen an syrische Rebellen zu 25 Jahren Haft verurteilt worden war. Der CHP-Chef will bis vor Berberoglus Gefängnis im Istanbuler Stadtteil Maltepe laufen und dort am 9. Juli eine Großkundgebung abhalten.

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"Das Schlimmste in der Türkei ist, dass Richter gemäß dem Willen Erdogans urteilen, und die Justiz völlig politisiert ist", sagte Kilicdaroglu AFP bei der Pause bei Sakarya, rund 140 Kilometer östlich von Istanbul. Der 68-Jährige, der am Samstag bereits den 17. Tag auf dem "Marsch für Gerechtigkeit" unterwegs war, kündigte an, bei der Kundgebung in Maltepe "konkrete Schritte" zu verkünden, wie er Gerechtigkeit erreichen wolle.