Politik/Ausland

Heftige Krawalle zu 1.-Mai-Feiern erwartet

Die ohnehin aufgeladene Stimmungslage in der Türkei droht am Donnerstag erneut zu eskalieren. Gewerkschaften, Kurdengruppierungen und Kritiker von Premier Recep Tayyip Erdogan haben angekündigt, anlässlich des 1. Mai auf dem zentralen Istanbuler Taksim-Platz zu demonstrieren – trotz eines Verbots.

Der Platz ist sowohl geschichts- als auch symbolträchtig: Am 1. Mai 1977 waren bei Zusammenstößen 39 Menschen getötet worden. Bis heute unbekannte Täter hatten in die Menge gefeuert. Danach blieb der Taksim bis 2010 für Mai-Aufmärsche gesperrt. Schon im Vorjahr sprach die Regierung Erdogan abermals ein Platzverbot aus. Die Menschen kamen dennoch, Krawalle waren die Folge. Und rund einen Monat später brachten Massen-Demos rund um den nahen Gezi-Park, die sich rasch auf die ganze Türkei ausbreiteten, den Premier ins Wanken.

Er fiel nicht, setzte auf brutale Polizeigewalt und ließ die Proteste niederknüppeln. Diese Strategie ist offenbar auch für heute vorgesehen. Medienberichten zufolge wurden Panzerwagen und 50 Wasserwerfer bereitgestellt und 19.000 Sicherheitskräfte allein für den Taksim-Platz abgestellt. Für ganz Istanbul wurden 40.000 Uniformierte aufgeboten. Dazu wurden aus sieben Provinzen zusätzliche Polizisten herangekarrt, darunter aus Erzurum, Adana und Gaziantep, denen der Ruf vorauseilt, mit Demonstranten nicht zimperlich umzugehen. Eine Woche lang wurde für den heutigen Tag X trainiert.

Alarm auch in Ankara

Auch in Ankara sollen Kundgebungen im Keim erstickt werden. 5000 Sicherheitskräfte sind dort im Einsatz, unterstützt von Helikoptern. Der Ende März dieses Jahres wiedergewählte Bürgermeister der Hauptstadt, Melih Gökcek von der regierenden AK-Partei, warnte die Demonstranten: Wer dort aufmarschiere, wo es verboten sei, müsse mit Polizeigewalt rechnen. Für diese seien aber nicht Erdogan und sein Team verantwortlich, sondern das Netzwerk des in den USA lebenden Predigers Fetullah Gülen. Ihm wirft die AKP-Spitze seit Langem vor, den Sicherheits- und Justizapparat unterwandert zu haben und die Macht im Land übernehmen zu wollen. Erst diese Woche verlangte Erdogan von den USA die Auslieferung Gülens.

Die einzelnen Gruppen lassen sich von derartigen Drohungen aber nicht einschüchtern und wollen auf jeden Fall auch auf dem Taksim-Platz ihre Aufmärsche abhalten. Es könnte abermals ein heißer 1. Mai für die Türkei werden.