Politik/Ausland

Türkei: Druck auf heimische Betriebe

"Momentan ist es nicht angenehm. Die Blockade Österreichs für weitere EU-Beitrittsgespräche mit der Türkei hat heftige Reaktionen ausgelöst", schlägt der rot-weiß-rote Wirtschaftsdelegierte Georg Karabaczek in der Bosporus-Metropole Istanbul Alarm. Diese Art von Konfrontation sei zwar nicht neu, doch habe die Ansage des österreichischen Außenministers Sebastian Kurz zu Wochenbeginn das Fass zum Überlaufen gebracht.

Dies sei in der Türkei als "Affront" aufgefasst worden, so Karabaczek im KURIER-Interview. Bereits davor habe Österreich starken Gegenwind verspürt: "Wir wollten für ein Tourismus-Unternehmen eine Anzeige in der Zeitung Haber Turk schalten, doch das Blatt hat mit der Begründung abgelehnt, dass es keine Inserate aus Österreich schaltet." In bestimmten Bereichen gebe es bereits Stornierungen, bei öffentlichen Ausschreibungen Schikanen.

Die Stimmungslage sei generell schlecht. "Offiziell wurde die Devise ausgegeben, die Kontakte mit österreichischen Vertretern auf ein Minimum zu beschränken", sagt der Handelsdelegierte. Termine bei staatlichen Stellen seien derzeit schwer zu bekommen, Einladungen würden kaum einlangen. Ad personam habe er noch keine Anfeindungen erleben müssen, aber "manchmal hat man schon ein ungutes Gefühl, als Österreicher in der Türkei zu sein". Und immer wieder höre man den Vorwurf, dass Vertreter der Alpenrepublik, besonders auch deren Medien, derart scharf gegen die Türkei agierten, berichtet Georg Karabaczek.

"Brücken bauen"

Noch freilich seien nicht alle Dämme gebrochen, die österreichischen Unternehmen seien unter erschwerten Bedingungen weiter im Land am Bosporus tätig, "weil sie hier nach wie vor gute Marktchancen sehen". Positiv wäre es, so der Handelsdelegierte, wenn in dieser kritischen Zeit österreichische Politiker in die Türkei reisten, "nicht vielleicht schon morgen, aber prinzipiell". Die Türken seien sehr emotionale Menschen, die solche Gesten schätzten. Zumal nach dem Putschversuch vom 15. Juli, im Zuge dessen sich Ankara von Europa im Stich gelassen fühle.

Christoph Leitl gibt sich angesichts der sich aufschaukelnden Spannungen betont gelassen. "Weltweit sind Wirtschaft und Politik unterschiedliche Ebenen", erläutert der Präsident der Österreichischen Wirtschaftskammer (WKO) im KURIER-Gespräch. Die "politischen Wellen sind immer oben, aber weiter unten ist die ökonomische See ruhig".

Sicher sei es derzeit in Bezug auf die Türkei nicht besonders "lustig, das ist es aber auch nicht im Iran und in Russland (mit dem Sanktionenregime)". Die Wirtschaft habe aber immer die Aufgabe, "Brücken zu bauen und für Stabilität und Prosperität zu sorgen", sagt Leitl, "Unsicherheit verunsichert alle."

Er wolle den "politischen Gegenwind" gar nicht leugnen, aber "langfristig wird sich die Wirtschaft stärker erweisen als die politische Entwicklung".

„Wir werden auf allen Ebenen gegen Österreich auftreten!“, polterte der türkische Außenminister Mevlüt Cavuşoğlu diese Woche im Interview mit einem türkischen Fernsehsender. Zwar ist nicht klar, wie das aussehen wird und neu sind diese Drohungen von türkischer Seite ebenfalls nicht. Immer wieder empört sich die türkische Regierung über die österreichische Haltung der Türkei gegenüber – sei es aktuell das „Nein“ zum EU-Beitritt oder Ende November das Waffenembargo. Damit wächst die Angst, dass sich dieser politische Konflikt auf den Alltag der Menschen vor Ort auswirken könnte.


Eine österreichische Journalistin erzählt, dass man in der Türkei allgemein wenig über die Alpenrepublik wisse. Selbst Außenminister Sebastian Kurz, der in den Erdoğan-treuen Medien gerne an den Pranger gestellt wird, ist ihren Interviewpartnern häufig unbekannt: „Österreich wird in der Türkei kaum wahrgenommen“, glaubt sie. Anders erleben das die Mitarbeiter des ORF in Istanbul. Sie mussten feststellen, dass sich das Klima im vergangenen Jahr verändert hat. Immer wieder wurden ihnen Interviews verweigert, weil man die Außenpolitik Wiens kritisch betrachtet: „Es ist derzeit keine gute Visitenkarte, Österreicher zu sein“, heißt es aus dem Studio.


Eine Österreicherin, die schon lange in der Türkei lebt, ihren Namen aber nicht genannt wissen möchte, spricht ihre Sorgen offen aus: „Die Menschen und Institutionen vor Ort versuchen, Brücken zu bauen. Und die Politik reißt diese dann ein.“ Sie hat auch beobachtet, dass durch die Querelen auf Regierungsbasis das Vertrauen auf persönlicher Ebene erschüttert wird. „Durch die Politik entsteht ein bestimmtes Bild von uns – aber so will ich gar nicht sein“, klagt sie. In einem Punkt sind sich alle einig: In erster Linie werden sie als Ausländer wahrgenommen, nicht als Österreicher.

Veronika Hartmann, Istanbul