Trumps merkwürdiges Job-Wunder
Von Dirk Hautkapp
Im Wahlkampf wetterte Donald Trump regelmäßig gegen die Kollateralschäden der Globalisierung. Er versprach, die Abwanderung von US-Fabriken in Billiglohnländer zu stoppen und ausgelagerte Jobs in 1000er-Dimension wieder nach Amerika zurückzuholen. Ein Paradebeispiel war der Klima-Anlagen-Hersteller "Carrier", der im Frühjahr angekündigt hatte, rund 2100 Arbeitsplätze nach Mexiko zu verlagern. Trump hatte vor den Wahlen getönt, den Job-Killer abzuwenden – "und zwar zu 100 Prozent". Auch darum stimmten Industriearbeiter in Scharen für ihn.
Gestern, Donnerstag, zeigte sich vor laufenden Fernsehkameras vor den Werkstoren von "Carrier", was das Wort des Milliardärs wirklich zählt. Knapp 1000 Arbeitsplätze, so hatte "Carrier" schon vor dem sorgfältig inszenierten Auftritt verlauten lassen, bleiben vorläufig in Amerika. Wie lange, weiß niemand. Der Rest geht wie beschlossen nach Mexiko, wo ein Arbeiter am Tag das verdient (ca. 23 Dollar), was ein US-Arbeiter in der Stunde bekommt. Trump konnte nur Teil-Vollzug melden, stellte das Resultat gleichwohl als "großartigen Erfolg" heraus. Der Jubel in der Belegschaft fiel ambivalent aus.
Mehr Schein als Sein
Kritiker erkennen darin ein Muster. In den ersten drei Trump-Wochen nach der Wahl "sind reihenweise Maximalforderungen und Versprechungen einkassiert worden", schreibt das Magazin Politico. Vom Mauerbau an der Grenze zu Mexiko, von der rigorosen Abschiebung Millionen Illegaler, der Komplett-Streichung der Krankenversicherung "Obamacare" und einer Gefängnisstrafe für Hillary Clinton könne keine Rede mehr sein. Auch nicht vom Zurückdrängen der Eliten, wie ein Detail zeigt: Mit Betsy DeVos (Bildung), Wilbur Ross (Handel) und Steven Mnuchin (Finanzen) hat Trump just drei Privatiers in sein Regierungsteam berufen, die zusammen auf ein Privatvermögen von etwa 7,5 Mrd. Dollar kommen und seit Jahren als Geldgeber im politischen Washington bekannt waren. Weitere Superreiche könnten folgen. "Was ist das denn, wenn nicht Elite?", fragte das Internetportal Slate.
Die New York Daily News nannte Trump "wortbrüchig". Noch vor der Amtseinführung demonstriere der Unternehmer, dass seine Versprechungen nur eine "sehr begrenzte Halbwertzeit haben", sagen Fachleute der Denkfabrik Cato in Washington. "Für einen Deal, für ein schnelles Geschäft auf Gegenseitigkeit, das ihn in den Schlagzeilen als tatkräftigen Macher erscheinen lässt, wirft Donald Trump jede Überzeugung über Bord." Der Fall "Carrier" in Indianapolis sei hier geradezu prototypisch für das, was Amerika nicht nur im Bereich Wirtschaft in den kommenden vier Jahren zu erwarten habe: "Mehr Schein als Sein."
Noch vor einer Woche hatte die Firmenspitze den Gang nach Mexiko als alternativlos bezeichnet. Betroffenen Arbeitern wurden über vier Jahre Umschulungsmaßnahmen und Finanzhilfen angeboten. Wie es im Detail binnen weniger Tage zu dem Sinneswandel kam, liegt noch im Dunkeln. Die zuständige Gewerkschaft United Steelworkers wusste jedenfalls von nichts.
Große Bestechung?
Weil Trumps Vizepräsident Mike Pence (de facto noch Gouverneur Indianas) an den Verhandlungen aktiv beteiligt war, gingen US-Medien von massiver staatlicher Unterstützung aus – "damit Trump nicht sein Gesicht verliert". Wirtschaftsmagazine berichteten von einer Steuer-Befreiung im Volumen von 700.000 Dollar pro Jahr. Der Sender MSNBC sprach bereits von "großer Bestechung".
"Trump hat sich erpressbar gemacht", sagen Wirtschaftsexperten wie Robert Reich. Es sei damit zu rechnen, dass andere Vorstandsbosse, die ebenfalls unter dem Druck von Aktionären und weltweiter Konkurrenz nach billigeren Produktionsstandorten Ausschau halten, Trump auch eine "Bleibeprämie" abtrotzen werden. Nachhaltige Wirtschaftspolitik sei das nicht. Und schon gar nicht signifikant. "Seit dem Jahr 2000 sind rund fünf Millionen Industriearbeitsplätze in Amerika weggefallen", sagt Reich, "unter Präsident Obama wurden 800.000 neue Stellen geschaffen."
Experten schätzen darum die Wiederholbarkeit der Rettungsaktion sehr verhalten ein. Die Globalisierung zu revidieren "ist unmöglich", sagt John Van Reenen, Wirtschaftsprofessor am M.I.T in Massachusetts. Die "fundamentalen Kräfte", die hier am Werk seien, könnten auch durch noch so großzügige Steuergeschenke nicht kompensiert werden.
"Die Kunst des Deals"
Analysten bei Bloomberg verweisen darauf, dass der Mutterkonzern von "Carrier", United Technologies, Milliarden mit dem Pentagon verdient – und diese lukrativen Staatsaufträge nicht riskieren will. Beim Finanzdienstleister hält man es für selbstverständlich, dass Trump diese Karte hinter verschlossenen Türen gespielt hat. "Um wenigstens teilweise sein Wort halten zu können."