Politik/Ausland

Putins Krieger in den sozialen Netzwerken

Die Kleinanzeige im Lokalblättchen schien maßgeschneidert für Ljudmila Sawtschuk. Gesucht wurden kreative Schreiber für Online-Projekte. Beim Vorstellungsgespräch im Dezember erfuhr sie, dass es sich um politische Texte handelt. Kurznachrichten mit jeweils etwa 200 Zeichen und fünf Tags: Schlag- und Schlüsselwörtern, die vorgegeben wurden wie der Tenor. Positives Grundrauschen war bei "Putin", "Russlands Armee", "Krim" oder "Donbass" angesagt, negatives bei "Kiewer Junta", "NATO" und "Obama". Dafür gab es gutes Geld: 41.000 Rubel, das sind knapp 750 Euro und erheblich mehr als der statistische Durchschnittsverdienst in Russland.

Ende Februar wurde Sawtschuk gefeuert. Der 34-Jährigen war die Sache spanisch vorgekommen, sie hatte Journalisten der Petersburger Stadtteilzeitung Moj rajon vom Treiben in dem viergeschoßigen grauen Bürogebäude in einer Schlafstadt an der Peripherie erzählt. Und damit angeblich gegen ihren Arbeitsvertrag verstoßen, der sie zum Schweigen gegenüber Dritten verdonnert hatte. Sie habe nie einen Arbeitsvertrag gehabt, sagt Sawtschuk, und Lohnzahlungen seien stets in bar erfolgt. Beides verstößt gegen russisches Recht. Sawtschuk klagt. Der Prozess beginnt in Kürze. Dabei, so Sawtschuks Anwältin, werde es um mehr als um Arbeitsrecht gehen.

Sawtschuk war eine der Ersten, die Medien mit Insiderwissen über russische Troll-Fabriken versorgte: Unternehmen, die in sozialen Medien Hunderte Nutzer-Konten einzig und allein deswegen anlegen, um andere User-Accounts mit serienmäßig produziertem Polit-Spam zu fluten. Und um Online-Foren, Blogs oder Kommentarspalten russischer und internationaler Medien mit antiwestlichen Hetzkampagnen und Kreml-Agitprop zu attackieren.

Beim G-7-Gipfel hatten die Trash-Trolls sogar den Account von Angela Merkel beim Online-Fotodienst Instagram – in Russland populärer als Facebook – mit gehässigen, teils sogar beleidigenden Kommentaren zugemüllt.

Zwischengeschaltet

Russische Mainstream-Medien verloren dazu bisher kein Wort und scheuen das Troll-Thema überhaupt. Aus Angst vor Konsequenzen. Denn Nettozahler der "Trolle" soll die Kreml-Administration sein, diese bei der Abwicklung des Geldtransfers jedoch den Unternehmer Jewgeni Prigoshin zwischengeschaltet haben. Ihm gehört eine Kette von Restaurants. Den Kreml-Spam produziert offenbar vor allem eine Troll-Fabrik in Putins Heimatstadt St. Petersburg. Sie nennt sich "Agentur für Internet-Forschungen" und ist im Handelsregister als eine Baufirma eingetragen.

Der Job sei der abenteuerlichste gewesen, den er je hatte, sagte ein weiterer Ex-Troll dem russischen Dienst von US-Auslandssender Radio Liberty: Marat Burkchard, der eigentlich kein Aussteiger ist, sondern ein Undercover-Journalist.

In dem grauen Bürohaus ohne Firmenschild am Stadtrand von St. Petersburg, sagte der Mittdreißiger, seien auf insgesamt vier Etagen etwa 40 verschiedene Abteilungen mit jeweils rund 20 Mitarbeitern tätig. Darunter eine Abteilung für Sondervorhaben und eine fremdsprachige, wo fast der doppelte Lohn gezahlt wird.