Politik/Ausland

Trinken wie unter Churchill: In England kehrt das Wein Pint zurück

 „Ein was?“, fragt der Barkeeper im südenglischen Pub. „Ein Pint Wein?“ Er schüttelt den Kopf und füllt das vorgeschriebene Viertelliter-Messglas mit Sauvignon blanc, bevor er den Inhalt in das große Weinglas kippt. Doch schon bald soll man nicht mehr nur zwischen kleinem (125 ml), mittlerem (175 ml) und großem (250 ml) Weinglas wählen dürfen. Die britische Regierung besinnt sich auf imperiale Maßeinheiten und holt 2024 das Pint-Glas für die Weinproduzenten und - Händler zurück.

„Um Momente wie diese“, verkündete Handelsminister Kevin Hollinrake Ende Dezember, sei es bei „unserem Austritt aus der EU“ doch gegangen: Mit der Rückkehr der 568 ml-Flasche – übrigens die Lieblingschampagnerflaschengröße des einstigen britischen Premiers Winston Churchill – sollen die englischen Weingüter unterstützt und die heimische Wirtschaft vorangetrieben werden.

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Milch im Pint, Obst in Kilo

Aktuell arbeitet England mit einem Mix aus imperialen und metrischen Maßeinheiten. Während etwa Strecken in Meilen und Bier sowie Milch in Pints ausgeschenkt wird, müssen Händler seit 2001 Frischware in Kilogramm und Meter angeben. Nicht alle Händler haben das damals kampflos hingenommen. Obsthändler Steven Thoburg verkaufte seine Bananen in Sunderland weiter um 34 Pence das Pfund – und landete vor Gericht. Ein dreijähriger Rechtsstreit folgte, der bis ins Oberhaus ging. Doch Thoburg starb 39-jährig an einem Herzinfarkt, bevor der Konflikt gelöst werden konnte.

„Uralte Freiheit“

Die aktuelle Regierung ist aber nicht die erste, die mit altem Maß Stimmung machen möchte. (Zur Erinnerung: Heuer wird gewählt.) Im Parlamentswahlkampf 2019 erklärte Boris Johnson, dass Messen in Pfund und Unzen eine „uralte Freiheit“ sei und er eine „neue Ära der Großzügigkeit und Toleranz“ gegenüber traditionellen Maßeinheiten starten wollte.

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Vor dem Platinjubiläum der früheren Königin Elizabeth machten Gerüchte die Runde, Shops dürften in alten Maßeinheiten anpreisen.„Da die britische Bevölkerung in ihrem täglichen Leben gerne sowohl imperiale als auch metrische Maße verwendet, ist es gut, dass die Regierung nun die Freiheit hat, ihre Vorschriften entsprechend zu ändern“, wurde ein Insider aus dem Regierungskabinett  damals zitiert.

Briten machen lieber Meter

Doch eine Analyse unter 100.000 Befragten ergab, dass die Briten dies gar nicht wünschen : 98,7 Prozent der Befragten wollten das metrische – entweder alleine oder zumindest zusätzlich. Und so beschloss die Regierung „nach reiflicher Überlegung“ vorerst doch keine neuen alten Messeinheiten einzuführen. 

Der Barkeeper im südenglischen Pub kann sich nicht vorstellen, dass die neuen Pints ein Renner werden: „Wird sie nicht so teuer sein, dass man sich lieber gleich eine Flasche nimmt?“