Politik/Ausland

Tote am Golan: Blauhelme gerieten "oft unter Beschuss"

Die österreichischen Blauhelme auf den Golan-Höhen sind rund um jenen Vorfall, bei dem sie offenbar neun Syrer in den Tod fahren ließen, mehrmals Beschuss von Streitparteien im Syrien-Konflikt ausgesetzt gewesen. Die Soldaten seien "oft unter Beschuss" gewesen, sagte der Sprecher des Verteidigungsministeriums, Michael Bauer, dem Standard.

Am 25. September 2012, vier Tage vor dem Vorfall, hätten sich in der Früh Rebellen mit der syrischen Armee Kampfhandlungen geliefert. Fünf verletzte Rebellen hätten damals um Erste Hilfe bei den Blauhelmen gebeten. In der Nacht hätten syrische Kampfpanzer und die Fliegerabwehr in die entmilitarisierte Zone geschossen. Am 1. Oktober hätten die Blauhelme in der Früh Einsatz von Streumunition registriert.

Die Reißleine gezogen

Der Standard zitiert auch einen damaligen Spitzenpolitiker, "nun Privatmann", der einen Konnex zwischen der sich zuspitzenden Sicherheitslage und dem im Juni 2013 verkündeten Abzug der österreichischen Blauhelme vom Golan zog. "Wenn man jeden Tag eine DIN-A4-Seite voll mit solchen Vorfällen am Schreibtisch hat, konnte man nicht anders, als die Reißleine zu ziehen", sagte der Politiker. Von den Details der Vorkommnisse Ende September 2012 habe er bis vor wenigen Tagen "keine Kenntnis" gehabt, fügte er hinzu.

Der Innsbrucker Völkerrechtler Peter Hilpold betonte indes in einem Gastkommentar für die Wiener Zeitung, die Blauhelme hätten bei dem Vorfall "wahrscheinlich mehr tun müssen", die syrischen Polizeikräfte an der Weiterfahrt hindern, sie im Detail auf die Gefahr aufmerksam machen "und nötigenfalls sich sogar über den Befehl des Kommandanten hinwegsetzen". Hilpold wies aber zugleich auf das "völlig ungenügende" UNO-Mandat und die "Extremsituation" für die jungen Blauhelme hin. Dass diesen die moralische Verantwortung "sehr bewusst ist und jeden Tag an ihnen nagt, dürfte allein schon der Umstand belegen, dass dieses Video angefertigt und schließlich auch verbreitet worden ist".

Untersuchungskommission

Ein am Freitag von der Wiener Stadtzeitung Falter veröffentlichtes Video zeigt, wie die Blauhelme zunächst den Bau eines Hinterhaltes durch mutmaßliche Kriminelle filmten und später ihren Kontakt mit dem Auto der syrischen Geheimpolizei. Die Syrer blieben auf ihrer Fahrt in den Tod an einem österreichischen Checkpoint stehen, wurden von den Blauhelmen aber offenbar ohne Warnung in Richtung des Hinterhalts weitergewunken.

Verteidigungsminister Mario Kunasek setzte eine Untersuchungskommission ein, die ihre Tätigkeit am Samstag aufnahm. Die UNO sprach von einem "verstörenden Video" und pochte auf die Erfüllung höchster professioneller und ethischer Standards durch Blauhelme. Der Völkerrechtsexperte Manfred Nowak sagte, dass den Blauhelmen schlimmstenfalls eine Anklage wegen Beihilfe zum Mord drohen könnte. Die Staatsanwaltschaft Wien nahm Ermittlungen auf.

Ein Kamerad der belasteten Blauhelme betonte, dass sich diese richtig verhalten hätten. Man habe den Befehl gehabt, sich zurückzuhalten, sagte er den Salzburger Nachrichten. Außerdem wären sie selbst auf die Abschussliste geraten, wenn die Rebellen festgestellt hätten, dass sie die syrischen Sicherheitskräfte gewarnt hätten.

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