Tausende Kriegsopfer ohne Heizung
Von Stefan Schocher
Da hat anscheinend auch die OSZE-Beobachtermission SMM, die es sich sonst so penibel aufs Zählen versteht, aufgegeben: Von "unzähligen Explosionen" ist im jüngsten Bericht der Beobachtermission für die Ostukraine mehrmals die Rede. Gemeint sind die seit mehreren Tagen anhaltenden Kämpfe nahe der Millionenstadt Donezk, die von pro-russischen Milizen kontrolliert wird. Gerade einmal fünf Kilometer von Donezk entfernt liegt die Stadt Awdiiwka unter Kontrolle der ukrainischen Armee. Die Stadt ist derzeit Hotspot der entlang der gesamten Frontlinie anschwellenden Kämpfe, die laut SMM auch mit schwerer Artillerie, Raketenwerfern und Mörsern ausgetragen werden – allesamt Geräte, die laut Minsk-Abkommen an sich außer Reichweite der Front sein müssten.
Es mangelt aber an Kapazitäten in der Region. Zunächst sollten daher einmal 8000 besonders prekäre Fälle aus der Stadt gebracht werden. Zugleich wurden Nahrungsmittel und Suppenküchen nach Awdiiwka gebracht, um die verbliebenen Menschen einigermaßen versorgen zu können.
Schuldzuweisungen
Pro-russische Milizen und Kiew schieben einander gegenseitig die Schuld an der Eskalation zu. Wortführer der pro-russischen Einheiten in Donezk warfen der ukrainischen Armee vor, Wohngebiete beschossen zu haben. Vor allem habe Kiew eine Wasser-Pumpstation für Donezk ins Visier genommen.
Kiew wiederum sagt, pro-russische Verbände hätten einen Frontalangriff auf Awdiiwka unternommen, der aber zurückgeschlagen worden sei. Klar ist, Frontveränderungen sind nach jahrelangem Stellungskrieg ein Kraftakt. Beide Seiten haben sich massiv eingegraben.
Wegen der Eskalation im Osten der Ukraine verkürzte der ukrainische Präsident Petro Poroschenko seinen Besuch in Deutschland. In Kiew wurde indes der Nationale Sicherheitsrat zusammengerufen. Das ukrainische Außenministerium warf den "russischen Besatzungstruppen" zugleich "Beschuss der gesamten Kontaktlinie" vor. Moskau wiederum – das jede Unterstützung der Milizen im Donbass zurückweist – rief Kiew dazu auf, sich an die Minsker Vereinbarung zu halten und forderte mehr Druck seitens Berlins und Paris’ auf die Führung in Kiew.
Der österreichische OSZE-Vorsitz wandte sich mit der Aufforderung an die Öffentlichkeit, "alle feindlichen Aktivitäten einzustellen" und forderte freien Zugang für die Mission zu allen Frontabschnitten. Die EU sprach von einer eklatanten Verletzung der Waffenruhe.