Syrien: Warum Putin hart bleibt
Von Elke Windisch
Als „klare Verletzung internationalen Rechts“ hat Russlands Präsident Wladimir Putin in einem Telefonat mit Irans Präsidenten Hassan Rohani die Angriffspläne der USA bezeichnet. Ein Militärschlag müsse verhindert, der Bericht der UN-Inspektoren über einen Giftgaseinsatz in Syrien abgewartet werden.
Putin hofft offenbar, Barack Obama in letzter Minute noch umstimmen zu können. Der US-Präsident hatte sich laut russischen Medien bereit erklärt, am Rande des G-20-Gipfels kommende Woche in St. Petersburg doch mit dem Gastgeber zu einem Vier-Augen-Gespräch zusammenzutreffen, das wegen der Snowden-Causa schon gecancelt worden war. Vorher, so nehmen Experten in Russland an, werde der Westen in Syrien nicht eingreifen. Laut Nachrichtenagentur Interfax will Russland in den kommenden Tagen zwei Kriegsschiffe ins Mittelmeer verlegen.
Die Folgen eines westlichen Militärschlages wären aus Putins Sicht katastrophal. Vor allem dann, wenn der Schlag Assad nicht zur Kapitulation zwingt. Eine Bodenoperation sei dann unvermeidlich. Diese würde Teheran, das sich derzeit auf wirtschaftliche und politische Unterstützung für Damaskus beschränkt, zum militärischen Eingreifen in den Konflikt zwingen. Eine direkte bewaffnete Auseinandersetzung zwischen den USA und der Islamischen Republik wäre dann unvermeidlich und könnte einen regionalen Flächenbrand auslösen, der nicht nur den Nahen, sondern auch den Mittleren Osten nachhaltig destabilisieren würde. Eine Region, zu der auch die mit Russland verbündeten Ex-Sowjetrepubliken in Zentralasien zählen.
Zu einer politischen Lösung in Syrien gebe es keine Alternative, warnte Außenamtschef Sergej Lawrow in einem Telefonat mit dem Syrien-Sonderbeauftragten des UN-Generalsekretärs, Lakhdar Brahimi. Darin schwang auch Moskaus Sorge mit, militärische Interventionen ohne Mandat der Weltorganisation könnten zur Regel werden. Aus russischer Sicht würde dies sowohl die von Moskau und Washington in Jahrzehnten mühsam ausgehandelte globale Sicherheitsarchitektur als auch das Völkerrecht zu Makulatur machen.
Bisher hat sich Russland im Sicherheitsrat allerdings auch gegen alle Sanktionen gegen Syrien quergelegt. Gestern telefonierte die deutsche Kanzlerin Angela Merkel mit Putin und warb für Verhandlungen im Sicherheitsrat „für eine schnelle, einmütige internationale Reaktion“ auf den Giftgasangriff in Syrien – und für eine politische Lösung.
Handeln Mitglieder der internationalen Gemeinschaft auf eigene Prokura wie 2003 im Irak und 2011 in Libyen, reduziert sich der ohnehin begrenzte Einfluss der UNO auf das Weltgeschehen weiter. Entwicklungen, die Russland unbedingt verhindern will. UNO und Sicherheitsrat, wo Russland als Ständiges Mitglied Veto-Recht hat, sind für Moskau die wichtigsten Instrumente für den Wiederaufstieg zur Supermacht, wie es die Sowjetunion war. Ohne sie ging in der Ära des Kalten Krieges nichts in der internationalen Politik.
Auch könnte die politische Niederlage Russland in der Syrien-Krise Putin innenpolitisch schwächen. Bei mangelndem Durchsetzungsvermögen von Autokraten auf der Weltbühne verloren deren Gegner schon des Öfteren ihre Beißhemmungen.
Eigene wirtschaftliche und militärische Interessen, wie sie gern bemüht werden, um Moskaus harte Haltung in der Syrien-Krise zu erklären, tendieren gegen null. Auch die Sympathien für Diktator Bashar al-Assad. Kreml und Außenamt fürchten vielmehr, dessen Sturz könnte radikale Islamisten an die Macht spülen und das dem religiös motivierten Widerstand im russischen Nordkaukasus neuen Auftrieb geben. Ableger und Verbündete von El Kaida wollen dort einen Gottesstaat errichten, der vom Schwarzen bis zum Kaspischen Meer reicht.