Politik/Ausland

Tagebuch eines Golan-Veteranen

Die gesamte Aktion kostete uns vier Tote, und einem Wachtmeister wurde von einer Mine ein Fuß abgerissen.“ Während die Bundesregierung wegen der dramatischen Sicherheitslage in Syrien über einen Abzug der österreichischen Blauhelme vom Golan nachdenkt, erinnert sich der heute 72-jährige Vizeleutnant Werner Zofal an die ersten Tage der Mission im Jahre 1974. Denn er war „Gründungsmitglied“.

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Der gelernte Panzergrenadier Zofal hatte schon einen Einsatz auf Zypern hinter sich – als Zahnarzthelfer. Damals musste halt jeder alles können. Was Krieg bedeutet, erfuhr er im Dezember 1973 am Suezkanal. Es gab den ersten Toten, und das Küchenzelt wurde in Brand geschossen. Dort lernte der Unteroffizier Arabisch – nur mit dem Ziel, den Ägyptern zu erklären, dass sie mit ihrer Artillerie wieder einmal die Falschen erwischt hätten.

Dann begann der Marsch vom Sinai quer durch Israel auf den Golan. Zofal: „Der Krieg war noch voll im Gange. Der Golan war hell erleuchtet, man hörte das Donnern der Kanonen und die Explosionen der Granaten.“

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Ihr Auftrag war Truppenentflechtung der Israelis und der Syrer. Zofal: „Das war ein beinharter Job. Wenig Schlaf, Wassermangel und Konservenverpflegung. Dazu Flächenbrände, Minen und Blindgängerexplosionen.“ Wenn der Asphalt aufgerissen war, gingen die Kameraden hinter dem Fahrzeug in Stellung. Und Zofal stocherte mit einer Antenne im Erdreich herum, um eventuelle Minen zu entdecken.

Tote Kameraden

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Vier Kameraden starben durch eine Panzermine. Sie starben im guten Glauben. Denn der israelische Kommandant hatte erklärt, dass die Minen beseitigt seien. Eine Panzermine war noch da.

Die Syrer hatten nahe der libanesischen Grenze eine „Buffalo“ mit neun kanadischen Blauhelmen abgeschossen. Zofal sollte die Absturzstelle suchen, sichern und die sterblichen Überreste bergen. Die Reste der Kameraden passten in leere Munitionskisten. Doch dann forderten die Syrer den sofortigen Rückzug, andernfalls würden sie Gewalt einsetzen. Die UNO wiederum befahl, die Absturzstelle zu verteidigen. Zofal und 32 Kameraden saßen mit ihren Sturmgewehren eine Nacht in behelfsmäßig ausgehobenen Stellungen und fürchteten, dass es ihr letzter Tag sei.

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Die UNO gab nach und erlaubte den Rückzug. Zofals Erkenntnis: „Wir befinden uns in einem Kriegsgebiet, und wenn es auch scheinbar völlig ruhig ist, kann jeder Soldat zu jeder Zeit in eine lebensbedrohliche Situation kommen.“

Der österreichischen Öffentlichkeit wurden diese dramatischen Umstände weitgehend vorenthalten. Es gibt kaum Medienberichte darüber. Die Särge der Soldaten wurden ohne großes Aufsehen gleich den Angehörigen zugestellt. Dabei sollten diese vier Toten nicht die letzten sein.

Buch "Call Zofal"

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Jetzt kann man alles nachlesen in Zofals jüngst herausgebrachtem Buch „Call Zofal(Vehling Medienservice und Verlag Gmbh, ISBN: 978-3-85333-209-2).

In dem Buch erzählt Zofal aber auch viele originelle Einsatz-Schnurren. Etwa die von „Leutnant Scheintot“. Der hatte sich einen Stachel eingetreten. Er hielt diesen fälschlicherweise für den Stachel eines Skorpions und sackte vor Aufregung zusammen.

Für Zofal ist das Buch aber auch ein Weg zur Aufarbeitung. Besonders der Minenunfall hat ihn nie losgelassen. Erst kürzlich – gut 40 Jahre später – hat Zofal die Eltern des gefallenen Korporal Helmut Sturm kennengelernt. Beide haben den Tod des Sohnes nie verkraftet. Sie leben schwer krank unter erbärmlichen Umständen. Für Angehörige von toten Soldaten fühlte sich im Verteidigungsministerium nie jemand verantwortlich.

Neuer Zugang

Zu diesem Thema hat aber das Bundesheer neuerdings einen neuen Zugang. So durfte kürzlich der 18-jährige Schüler Georg Lang Verteidigungsminister Gerald Klug in den Libanon begleiten. Lang ist der Sohn des 2006 im Libanon gefallenen Major Hans-Peter Lang. Auf diese Weise konnte der Sohn bei einer Gedenkfeier vor einem Gedenkstein in Khiam von seinem Vater noch einmal Abschied nehmen.

Werner Zofal und seine Kameraden wussten es nicht – aber indirekt waren sie wegen der Südtirolfrage auf den nahöstlichen Schlachtfeldern gelandet.

Es begann im Juli 1960 mit einer UN-Mission im Kongo. Den Hintergrund enthüllten erst Jahrzehnte später freigegebene Dokumente. Damals weigerte sich nämlich Italien, Österreich in der offenen Südtirol-Frage als Verhandlungspartner anzuerkennen. Da kam der damalige Außenminister Bruno Kreisky auf die Idee, der UNO ein Feldspital samt Personal für den Kongo-Einsatz anzubieten.

Es war der Beginn der österreichischen UN-Erfolgsgeschichte. Aufgrund der guten Erfahrungen mit den Österreichern forderte zwei Jahre später UN-Generalsekretär U-Thant ein Feldspital für Zypern an. Daraus wurde 1972 ein Infanteriebataillon, das eine Pufferzone sicherte.

Dieses Bataillon wurde 1973 in den Sinai verlegt. 1974 wurden die Österreicher auf den Golan verlegt – wo sie auch heute noch das Rückgrat der UN-Truppe bilden.

Kreiskys Kalkül, dadurch die Verhandlungsposition gegenüber den Italienern zu stärken, ging auf. Im Jänner 1972 wurde das angestrebte Autonomiestatut für Südtirol in Kraft gesetzt.

Erste Gefallene

Der Preis dafür waren die ersten Gefallenen des Bundesheeres. Das waren Oberleutnant Johann Izay und der Oberfeuerwerker Paul Decombe, die in Zypern von einem türkischen Jagdbomber mit Napalm getötet wurden. Weitere Opfer sollten auf Sinai und am Golan folgen.