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Syrien: "Der Krieg ist entschieden" - nur wann ist er vorbei?

Dann ging es plötzlich ganz schnell. Seit Dienstag haben syrische Regierungstruppen und mit ihnen verbündete Milizen weite Teile des seit Monaten umkämpften Ostens der Millionenmetropole Aleppo eingenommen, auch die Altstadt soll inzwischen wieder ganz unter der Kontrolle des Regimes sein.

Der endgültige Kollaps der Rebellen in Aleppo ist nur eine Frage von Tagen. "Auch wenn das Ende des Krieges damit noch nicht absehbar ist, so ist er doch entschieden", sagt Nahost-Experte Thomas Schmidinger. "Assad hat den Krieg zwar noch nicht gewonnen – aber er wird ihn auch nicht mehr verlieren."

Mehr als ein symbolischer Erfolg

Aleppo war die letzte urbane Hochburg der Rebellen, der bevorstehende Sieg Baschar al-Assads ist aber nicht nur ein symbolischer Erfolg. Assad hat damit alle Trümpfe für die bevorstehenden Friedensverhandlungen in der Hand. Es hängt von ihm ab, wie lange der Krieg noch dauert. "Wenn die Regierung die vollständige Kontrolle über das Land haben will, wird noch länger gekämpft. Wenn sie allerdings bereit ist, einen Waffenstillstand einzugehen, der bedeutet, dass gewisse Teile des Landes unter Kontrolle der Oppositionskräfte stehen – auch etwa kurdische Gebiete –, dann ist es möglich, dass der Verlust von Aleppo der Opposition auch Raum für Verhandlungen eröffnet", sagt Schmidinger.

Dafür gibt es aktuell jedoch keine Anzeichen. "Wir werden keine Waffenruhe akzeptieren", sagte der syrische Parlamentsabgeordnete aus Aleppo, Fares Shehabi, am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur. "Sie (die Rebellen, Anm.) müssen zuerst abziehen. Wenn sie nicht abziehen, werden wir unsere Angriffe fortsetzen."

Schmidinger verweist jedoch auf den Einfluss Russlands. Sollte Putin auf eine Verhandlungslösung drängen, sei ein Waffenstillstand durchaus vorstellbar.

Denn Assad ist nach wie vor auf die Unterstützung Russlands und des Iran angewiesen. Seit Russland im August diesen Jahres die ersten Luftangriffe auf die seit 2012 umkämpfte Stadt geflogen ist, haben Assads Truppen an Momentum gewonnen. Die im November gestartete Großoffensive zwang mehr als 80.000 Zivilisten aus den östlichen Vierteln zu fliehen. Rund 170.000 Menschen sollen sich Schätzungen zufolge jedoch noch immer dort befinden.

Einigung Russland-Türkei machte den Weg frei

Den entscheidenden Wendepunkt im Konflikt um Aleppo brachte laut Schmidinger jedoch nicht nur das Eingreifen Russlands, hier spielte auch ein anderer Faktor eine Rolle: Bis zum Sommer hätten die Türkei und Saudi Arabien immer dann ihre Unterstützung für die Rebellen erhöht, wenn die syrischen Regierungstruppen auf dem Vormarsch waren. Nach dem Abschuss eines russischen Kampfjets im Dezember 2015 war die Beziehung zwischen den beiden Ländern lange vergiftet, Ende Juni kam es jedoch wieder zu einer Annäherung zwischen Erdogan und Putin - und damit sei auch die türkische Unterstützung für die Rebellen weggefallen, sagt Schmidinger.

Die USA spielen da kaum noch eine Rolle. Sie haben mit ihrer Unterstützung der Freien Syrischen Armee (FSA), von der nur noch einzelne Brigaden aktiv sind, auf das falsche Pferd gesetzt. Und die von den USA ebenfalls unterstützte kurdische YPG kämpfte in Aleppo zuletzt sogar an der Seite Assads gegen die Rebellen.

Das Wirrwarr des Konflikts in Syrien könnte sich mit dem Fall Aleppos also endlich lösen. Wann es soweit ist, das liegt jetzt ausgerechnet an Assad.

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Zur Person

Dr. Thomas Schmidinger lehrt am Institut der Politikwissenschaft der Universität Wien. Seine Forschungsschwerpunkte sind u.a. der Nahe Osten und der Politische Islam. Mehrmals hat er in den vergangenen Jahren Syrien besucht. In Aleppo war er nicht, "das wäre Selbstmord". Seine aktuelle Publikation: "Krieg und Revolution in Syrisch-Kurdistan"

Mit seinen engen Basar-Gassen um die mittelalterliche Zitadelle im Zentrum der Altstadt, seinen Badehäusern, Moscheen und Kirchen galt Aleppo vor Beginn des syrischen Bürgerkriegs als Inbegriff der orientalischen Stadt und war ein beliebtes Ziel für Touristen aus aller Welt. Die Zwei-Millionen-Stadt im Norden Syriens war das kommerzielle und wirtschaftliche Zentrum des Landes.

Mit dem friedlichen Nebeneinander von Sunniten, Alawiten und Christen galt Aleppo als Beispiel für die Koexistenz der Konfessionen. Nachdem es in der Stadt zu Beginn der Proteste gegen Machthaber Bashar al-Assad 2011 zunächst ruhig geblieben war, erfasste der Bürgerkrieg im folgenden Jahr auch Aleppo. Während die Rebellen den Osten der Stadt einschließlich von Teilen der Altstadt eroberten, behielten die Regierungstruppen den Westteil unter ihrer Kontrolle. Bei den Kämpfen wurden die Basar-Viertel, die Freitagsmoschee sowie auch die Zitadelle teils schwer beschädigt - vom Weltkulturerbe der Altstadt dürfte nicht viel übrig sein.

Seit September vergangenen Jahres erhält die syrische Armee Unterstützung der russischen Luftwaffe im Kampf gegen die Rebellen. Mitte November startete sie eine Offensive zur Rückeroberung der Rebellenviertel Aleppos. Abgeschnitten von der Außenwelt verschlechterte sich die humanitäre Lage der im Ostteil verbliebenen rund 250.000 Einwohner seither nochmals dramatisch. Auch wenn die Schlacht demnächst entschieden sein dürfte, wird die Stadt wohl nie ihren einstigen Charme und Glanz zurückerlangen.