Politik/Ausland

Südkorea: Kriegsrecht wieder aufgehoben, Opposition beantragt Amtsenthebung

Nach der kurzzeitigen Ausrufung des Kriegsrechts in Südkorea hat die Opposition einen Antrag auf die Amtsenthebung von Präsident Yoon Suk-yeol gestellt. "Wir haben einen Amtsenthebungsantrag eingereicht, der dringend vorbereitet werden muss", sagten Vertreter von sechs Oppositionsparteien, darunter der größten der Demokratischen Partei (DP), am Mittwoch bei einer Pressekonferenz. Demnach könnte der Antrag bereits am Freitag zur Abstimmung gestellt werden.

Zuvor hatten die Minister des Kabinetts gegenüber Premier Han Duck-soo geschlossen ihren Rücktritt angeboten. Dies berichtete die Zeitung "Chosun Ilbo" unter Berufung auf einen der Regierungspartei nahestehenden Insider. Ministerpräsident werde dazu um 14.00 Uhr Ortszeit (6.00 Uhr deutscher Zeit) mit der Führung der regierenden Partei der Volksmacht und hochrangigen Beratern von Yoon zusammentreffen, so das Blatt weiter.

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Aufforderung zu Rücktritt

Die DP forderte Yoon auf, zurückzutreten oder sich wegen der Verhängung des Kriegsrechts einem Amtsenthebungsverfahren zu stellen. "Selbst wenn das Kriegsrecht aufgehoben wird, kann er einer Anklage wegen Hochverrats nicht entgehen. Es wurde der ganzen Nation deutlich vor Augen geführt, dass Präsident Yoon das Land nicht mehr normal führen kann. Er sollte zurücktreten", sagte der ranghohe DP-Abgeordnete Park Chan-dae in einer Erklärung.

Die Nationalversammlung kann den Präsidenten anklagen, wenn sich mehr als zwei Drittel der Abgeordneten dafür aussprechen. Das Verfahren würde dann vom Verfassungsgericht verhandelt werden. Die Partei von Yoon verfügt über 108 Sitze in dem 300 Mitglieder zählenden Parlament. Im Falle eines Rücktritts oder einer Amtsenthebung würde Ministerpräsident Han das Amt des Parteivorsitzenden übernehmen. Innerhalb von 60 Tagen müssten dann Neuwahlen stattfinden.

Präsident Yoon hatte am Dienstag das Kriegsrecht verhängt, um es nur wenige Stunden später wieder aufzuheben. Damit löste er die wahrscheinlich größte politische Krise seit Jahrzehnten in Asiens viertgrößter Volkswirtschaft aus. Yoons Verhalten führte am späten Dienstagabend auch zu einer Auseinandersetzung im Parlament. 

Demonstranten: "Wir haben gewonnen"

In einer Fernsehansprache erklärte Yoon der Nation zunächst, dass das Kriegsrecht notwendig sei, um das Land vor dem atomar bewaffneten Nordkorea und staatsfeindlichen Kräften aus dem Norden zu schützen und die freiheitliche verfassungsmäßige Ordnung zu bewahren, obwohl er keine konkreten Bedrohungen nannte. Innerhalb weniger Stunden verabschiedete das südkoreanische Parlament, in dem 190 der 300 Abgeordneten anwesend waren, einstimmig einen Antrag auf Aufhebung des Kriegsrechts, darunter alle 18 Abgeordneten von Yoons Partei. Daraufhin hob der Präsident die Erklärung wieder auf. Wie die Nachrichtenagenturen Newsis und Yonhap am Mittwoch berichteten, haben Yoons Stabschef und hochrangige Sekretäre offenbar bereits ihren Rücktritt angeboten.

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Nachdem der Präsident das Kriegsrecht wieder aufgehoben hatte, brach unter den Demonstranten vor dem Parlament der Nationalversammlung Jubel aus. "Wir haben gewonnen", skandierten sie. Es werden für Mittwoch jedoch weitere Proteste erwartet. Der größte Gewerkschaftsverband Südkoreas, der Koreanische Gewerkschaftsbund, kündigte an, dass Tausende seiner Mitglieder so lange streiken würden, bis Yoon zurücktrete.

Streit um Haushaltsgesetz für kommendes Jahr

Yoon ergriff die Maßnahme inmitten eines Streits seiner Partei mit der größten Oppositionskraft Demokratische Partei über das Haushaltsgesetz für kommendes Jahr. Die Abgeordneten der Opposition, die im Parlament die Mehrheit haben, hatten vergangene Woche nur eine deutlich abgespeckte Fassung des Haushaltsentwurfs im zuständigen Parlamentsausschuss gebilligt.

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Die Opposition kritisierte den Schritt als Verstoß gegen die Verfassung. Das Land werde künftig von Panzern und Soldaten regiert, sagte der Vorsitzende der Demokratischen Partei, Lee Jae-myung. Seine Partei verfügt im Parlament über die Mehrheit. Sie hatte in dieser Woche beantragt, einige der ranghöchsten Staatsanwälte des Landes des Amtes zu entheben. Zudem forderte sie die Ablehnung eines Haushaltsentwurfs der Regierung. Der Entwurf müsse um mehr als vier Billionen Won (2,65 Milliarden Euro) gekürzt werden. Yoon erklärte, dies untergrabe die grundlegende Funktionsfähigkeit der Regierung.

Das Parlament sei "ein Zufluchtsort für Kriminelle geworden, ein Hort für eine legislative Diktatur, die das juristische und administrative System lähmen und unsere liberale demokratische Ordnung stürzen will", sagte Yoon in seiner Ansprache dazu. Er warf der Opposition vor, Gelder für die Kernaufgaben des Staates wie etwa die Bekämpfung der Drogenkriminalität und die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung zusammenzustreichen und damit einen "Zustand des Chaos bei der öffentlichen Sicherheit" zu schaffen.

Kritik kam auch aus Yoons Regierung selbst. Der Vorsitzende der regierenden Partei, Han Dong-hoon, bezeichnete das Kriegsrecht laut lokalen Medienberichten als "falsch". Man werde es "gemeinsam mit dem Volk stoppen", sagte Han. Yoon steht seit Monaten innenpolitisch unter Druck. Zuletzt hat ein mutmaßlicher Korruptionsskandal rund um seine Ehefrau seine Beliebtheitswerte weiter gedrückt.

USA begrüßen Aufhebung

International löste die Ausrufung des Kriegsrechts in Südkorea Besorgnis aus. Einer der wichtigsten Verbündeten sind die USA. In Südkorea sind 28.500 US-Soldaten stationiert, um den Verbündeten gegen die Atommacht Nordkorea zu beschützen. Aus dem Weißen Haus kam am Dienstag noch die Mitteilung, dass man erleichtert darüber sei, dass der südkoreanische Präsident Yoon Suk Yeol seinen Kurs bezüglich der Verhängung des Kriegsrechts in Südkorea noch geändert habe. Auch US-Außenminister Antony Blinken begrüßte Yoons Entscheidung. "Wir erwarten weiterhin, dass politische Meinungsverschiedenheiten friedlich und in Übereinstimmung mit der Rechtsstaatlichkeit gelöst werden", erklärte Blinken.

Offiziell noch immer im Krieg mit Nordkorea

Seit Monaten haben sich zudem die Spannungen auf der koreanischen Halbinsel erhöht. Nordkorea baute in den vergangenen zwei Jahren seine Raketentests deutlich aus und verschärfte seine Rhetorik gegen die USA und Südkorea. Zudem schickte Nordkorea laut Angaben des südkoreanischen Geheimdienstes und des US-Verteidigungsministeriums mehrere Tausend Soldaten nach Russland, wo diese mutmaßlich auf einen Einsatz gegen die Ukraine vorbereitet werden.

Südkorea befindet sich mit Nordkorea technisch gesehen seit dem Ende des Korea-Krieges 1953 formell weiter im Kriegszustand, da der Konflikt mit einem Waffenstillstand und nicht mit einem Friedensvertrag endete. Beide Länder trennt eine etwa vier Kilometer breite entmilitarisierte Zone. Die Beziehungen zwischen beiden Ländern befinden sich derzeit auf einem Tiefpunkt.