Politik/Ausland

Spitzel-Affäre: "Legt Dienste an die Kandare"

Noch immer sind viele Fragen offen, aber die Empörung über den deutschen BND-Mitarbeiter, der dem US-Dienst CIA Geheimmaterial geliefert haben soll, setzt die Regierung Merkel unter Druck. Vor allem die Opposition verhöhnt die Regierung als hilflos und konfliktscheu.

Nachdem Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) mit der Einbestellung des US-Botschafters und dessen Ermahnung zur Zusammenarbeit reagiert hatte, meldete sich nun auch Innenminister Thomas de Maziere (CDU): Die deutschen Dienste müssten sich überlegen, ob sie nun nicht auch gegen die USA spionieren sollten, obwohl dies unter engen Verbündeten als verpönt gilt.

Laut Bild hat er intern von der "dringenden Notwendigkeit" gesprochen, den "360-Grad-Blick" zu erlangen, also "auch auf die Verbündeten Frankreich, Großbritannien und USA". Es gäbe in seinem Ministerium auch schon ein Papier, in dem konkrete Gegenmaßnahmen gegen die US-Spionage in Deutschland aufgelistet würden, vor allem eine strengere Kommunikationsüberwachung. Die dürfte sich vor allem auf hier tätige US-Diplomaten beziehen.

Für den Auslandsgeheimdienst BND ist aber das Kanzleramt und damit Angela Merkel zuständig. Die hat auf ihrer China-Reise bisher nur von einem "ernsthaften Vorgang" gesprochen. Mehrere Politiker ihrer CDU äußerten sich deutlich kritischer über den neuerlichen Spitzelfall: "Die USA haben aus der NSA-Affäre nichts gelernt, sie führen sich wie eine digitale Besatzungsmacht auf", empörte sich der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion Hans-Peter Uhl.

Viele Rätsel

Vieles an dem Fall ist aber weiter offen. Der 31-jährige, behinderte BND-Mitarbeiter hatte nur einen unbedeutenden Verwaltungsjob in der Zentrale, er galt als naiv und harmlos. Auch die Wertigkeit der von ihm nach eigener Aussage 220 an die USA verratenen Dokumente scheint gering zu sein, nicht nur wegen des schmalen Honorars von 25.000 Euro. Zudem hat die ursprünglich vermutete Weiterleitung von Papieren aus dem NSA-Bundestagsuntersuchungsausschuss offenbar nicht mehr stattgefunden. Der ist ohnehin weitgehend öffentlich.

Auch gibt das Vorgehen des verhafteten BND-Mannes weiter Rätsel auf: Er kontaktierte die CIA wie den russischen Geheimdienst über "Google-Mail", was als extrem stümperhaft gilt.

Unklar ist ferner, wieso der BND den Fall nicht wie ähnliche in früheren Jahren diskret mit den USA zu lösen versuchte. Insider in Berlin vermuten, dass er von SPD-Kreisen früh öffentlich gemacht worden sein könnte, um vom Skandal um den offenbar drogensüchtigen SPD-Innenpolitik-Sprecher Michael Hartmann abzulenken.

Jedenfalls ist die Stimmung der meisten deutschen Medien nun noch Amerika-kritischer geworden. Auch Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) meinte im ARD-Talk von Günther Jauch mit der früheren US-Außenministerin Hillary Clinton: "Herrgott, legt doch endlich eure Dienste an die Kandare!"