Spende für Notre-Dame: Milliardär verzichtet auf Steuervorteil
Von Susanne Bobek
Jacques Chanut, der Chef des französischen Bauverbandes kann seine Freude nicht fassen. In den Trümmern des zerstörten Vierungsturms wurde der bronzene Hahn gefunden, der seit dem 19. Jahrhundert die Vierungsturmspitze zierte. „Er ist verbeult, aber wahrscheinlich restaurierbar. Da er eingedrückt ist, hat man noch nicht überprüfen können, ob sich die Reliquien noch immer darin befinden.“ Das sollten sein: ein Stück der Dornenkrone, eine Reliquie des heiligen Dionysius und eine Reliquie der heiligen Genovefa.
Frankreichs Premierminister Edouard Philippe will einen internationalen Wettbewerb für den Wiederaufbau des Vierungsturms, der Haupt- und Seitenschiff miteinander verbindet und zusammenhält, ausschreiben. Ein neuer Turm müsse „den Techniken und Herausforderungen unserer Zeit“ standhalten.
Die Frage, ob der neue Dachstuhl wieder aus Holz oder doch lieber aus Stahl erfolgen sollte, spaltet das Land „der Baumeister“, wie Präsident Emmanuel Macron seine Landsleute nannte, weil sie in all den Jahrhunderten Zerstörtes wieder aufgebaut hätten.
Die Holzindustrie schlägt vor, dass jeder Waldbesitzer für Notre-Dame eine Eiche spendet und eine Versicherungsgesellschaft will einen ganzen Wald in der Normandie roden und 1300 hundertjährige Eichen spenden.
Für eine Entscheidung ist es zu früh: Derzeit geht es um Schadensbegrenzung, Drohnen filmen Stein um Stein der Kathedrale, Bausachverständige inspizieren alles. Schwere Schäden im Gewölbe und in einem Giebel im nördlichen Querschiff müssen abgesichert werden. Wie dramatisch die Lage bleibt, zeigt auch, dass fünf Gebäude in der Nachbarschaft von Notre-Dame evakuiert wurden.
48 Stunden nach dem Feuerausbruch am Montag um 18.50 Uhr läuteten am Mittwoch in Frankreich alle Kirchenglocken. Da wussten die Franzosen bereits, dass „ihre Dame“ beinahe komplett zerstört worden wäre. Die „mutigen und entschlossenen Feuerwehrleute“ hätten ihr Leben riskiert, um die Struktur des Steingebäudes und die beiden Türme zu retten, sagte Innenstaatssekretär Laurent Nuñez. „Aber wir wissen jetzt, dass alles auf 15 bis 30 Minuten ankam.“ Man hatte befürchtet, dass die tonnenschweren Glocken von Notre-Dame aus der geschwächten Konstruktion herausbrechen und abstürzen könnten.
Die Kathedrale Notre-Dame gehört dem französischen Staat, die Kirche hat dort nur ein Nutzungsrecht. Das ist fast logisch in einem laizistischen Land. Damit bleibt der Wiederaufbau eine Sache der Steuerzahler und Spender.
Viele Franzosen spenden
Allein die drei französischen Milliardärsfamilien Arnault, Pinault und Bettencourt-Meyers wollen insgesamt eine halbe Milliarde Euro für die Restaurierung von Notre-Dame geben.
Die Spendenbereitschaft ist aber auch bei einfachen Bürgern enorm: Ein junger Angestellter, zum Beispiel, spendet 500 Euro, weil er Paris liebt und das Herz dieser Stadt nicht zum Schlagen aufhören dürfe.
Bereits am Montag, kurz vor Mitternacht bot François-Henri Pinault, der mit Salma Hayek verheiratet ist, eine Großspende von 100 Millionen Euro an. „Mein Vater und ich selbst haben entschieden, mit sofortiger Wirkung 100 Millionen Euro bereitzustellen, um an dem nötigen Aufwand für den vollständigen Wiederaufbau von Notre-Dame teilzunehmen“, hieß es in der Mitteilung. Der Sohn des Milliardärs François Pinault sitzt seit Dezember 1998 auch im Verwaltungsrat des Mischkonzerns Bouygues und ist unter anderem auch Besitzer von Gucci. Die Pinaults gaben am Mittwoch bekannt, dass sie keinen Steuerbonus für die Spende kassieren wollen. Gemeinnützige Spenden reduzieren in Frankreich normalerweise die Steuerschuld um mehr als 60 Prozent ihres gespendeten Betrags. Pinault teilte mit, die Last solle nicht „den französischen Steuerzahlern aufgebürdet werden“.
Die anderen Familien werden es ihnen wohl gleich machen:
Die Superreichen
Familie Arnault will 200 Millionen Euro spenden: Das Vermögen des 70-jährigen Bernard Jean Étienne Arnault wird laut Forbes auf 75 Milliarden Dollar geschätzt. Er ist der Besitzer des Luxusgüter-Konzerns LVMH, Moët, Hennessy – Louis Vuitton. Sein Sohn Antoine Arnault, 41, er ist CEO von Berluti, und dessen aus Russland stammende Frau Natalia Vodianova eilten zur Kathedrale und boten auch ihre Hilfe an, falls das Know How ihrer Mitarbeiter gebraucht würde.
Auch die L’Oreal-Erbin Françoise Bettencourt-Meyers (66) spendet 200 Millionen Euro. Sie ist nach dem Tod ihrer Mutter Liliane Bettencourt mit einem von Forbes geschätzten Vermögen von 43,3 Milliarden US-Dollar zur reichsten Frau der Welt aufgestiegen. Die bekannte Bibel-Kommentatorin, die mit ihrer dementen Mutter im Streit lag, ist mit dem Enkel eines in Auschwitz ermordeten Rabbiners verheiratet und konvertierte deshalb zum Judentum.