Politik/Ausland

Tausende auf dem Sprung nach Europa

Um sechs Uhr Früh begannen sie ihren Ansturm auf den sechs Meter hohen Grenzzaun: Strategisch verteilt über mehrere Hundert Meter, viele mit nacktem Oberkörper, damit die Grenzbeamten sie nicht festhalten konnten. Eine halbe Stunde später stürmten 150 der Schwarzafrikaner das Auffanglager gleich hinter der Grenze, rissen Schranken und Barrieren nieder, ohne dass irgendjemand sie aufhalten konnte. Jubelnd feierten sie dann ihre Ankunft in Europa.

Nicht ganz, denn das Territorium, das die Afrikaner auf diese abenteuerliche Weise erreichen, liegt an der afrikanischen Küste, ist aber spanisches und damit EU-Territorium.

Es sind die zwei spanischen Exklaven in Marokko, Ceuta und Melilla, die derzeit einen Ansturm von illegalen Einwanderern erleben wie seit Jahren nicht mehr.

Tödliche Schüsse

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Doch während die Polizei jetzt schon von einer "hoffnungslosen Lage" spricht, kündigt sich eine noch viel größere Flüchtlingswelle als in den letzten Tagen an. 30.000 Menschen, so ein aktueller Bericht der spanischen ZeitungEl Pais, würden hinter der marokkanischen Grenze auf den Sprung über den Grenzzaun warten.

Die Grenzpolizei aber muss sich nicht nur diesem Ansturm, sondern auch wachsenden Vorwürfen der spanischen Öffentlichkeit über ihre Methoden stellen. Auch die konservative Regierung in Madrid gerät immer stärker unter Druck.

Grund ist ein Zwischenfall in der Vorwoche, bei dem 15 Schwarzafrikaner beim Versuch, die Grenze zu überwinden, ums Leben kamen. Diese hatten eine andere, ebenfalls beliebte Taktik gewählt, um nach Ceuta zu gelangen. Die Schlepper verfrachten sie an der marokkanischen Küste in ein Boot, das dann entlang der Küste in spanische Gewässer schifft und dort versucht, an Land zu kommen. Die Grenzpolizei setzt gegen diese Boote routinemäßig Gummigeschosse und Leuchtraketen ein, um so die Flüchtlinge davon abzuhalten, an Land zu waten. Diesmal hatte das brutale Vorgehen tödliche Folgen: Die Flüchtlinge ertranken.

Die lokalen Politiker in den beiden Exklaven drängen trotzdem auf eine sofortige Verschärfung des Einwanderungsrechts. Die Polizei müsse rascher und härter eingreifen dürfen: "Wenn die nicht handeln darf, können wir gleich Stewardessen an die Grenze stellen."