Slowakei will gesamte Bevölkerung testen
Seit März ist Igor Matovič slowakischer Premier und so gern er sein Wahlversprechen, mit dem Filz der Vorgängerregierung aufzuräumen, wahrmachen würde - die Corona-Krise hat das Land fest im Griff.
Nun versucht er steigenden Infektionszahlen und einem drohenden Lockdown mit einer ungewöhnlichen Strategie zu begegnen. Matovič will so gut wie die gesamte slowakische Bevölkerung testen lassen. "Kein Staat hat es getan, ich mache diesen Versuch", zitiert ihn die Nachrichtenplattform aktuality.sk.
Mindestens 90 Prozent der Slowaken sollen dem Wunsch des Premiers nach getestet werden.
Ein Probelauf soll bereits am kommenden Wochenende stattfinden. "Die Haupttests werden in zwei Wochen am Samstag und Sonntag stattfinden", erklärte der Premier. Weitere Tests folgen dann vermutlich am Wochenende drauf, um auch diejenigen zu erfassen, die beim ersten Test falsch negativ getestet wurden.
Dafür hat die Regierung in den letzten Wochen 13 Millionen Antigen-Tests um rund 57 Millionen Euro angekauft. Organisiert sollen die Tests ähnlich einer Wahl: 6.000 Wahlkreise gibt es in der Slowakei und ebensoviele Stichprobenpunkte sollen zur Verfügung stehen.
Personen müssen sich für die Tests aber nicht an ihrem Wohnort oder Wahlkreis aufhalten bzw. dorthin reisen. "Sie erhalten die Möglichkeit, an der nächstgelegenen Sammelstelle getestet zu werden.“
Personell sollen für die geplanten Massentests rund 8.000 Soldaten sowie 50.000 staatliche Angestellte eingesetzt werden. Alle verfügbaren Soldaten, Polizisten und Feuerwehrleute würden für das Projekt herangezogen, sagte Verteidigungsminister Jaroslav Nad nach einer außerordentlichen Kabinettssitzung.
Tests verpflichtend?
Die Altersgrenze für die Tests liegt bei zehn Jahren. Unklar ist vorerst noch, ob die Tests freiwillig oder verpflichtend sein werden. "Je mehr Leute kommen, desto genauer werden die Ergebnisse sein", so der Premier. Das Thema sei heftig diskutiert worden. Sollten die Tests für die Slowaken verpflichtend sein, müssten die Gesetze geändert werden. Und hier befürchtet Matovič am Widerstand der Opposition zu scheitern.
So überlegt der Premier ein Bonus-System und jene zu belohnen, die freiwillig an den Tests teilnehmen. In die Bresche springt auch der slowakische Ex-Parlamentspräsident Richard Sulik, Gründer der Partei Sloboda a Solidarita und seit März 2020 slowakischer Wirtschaftsminister und stellvertretender Ministerpräsident: "Ich bitte alle sehr, an den Tests teilzunehmen."
Auf dem Spiel steht ein landesweiter Lockdown. Seit Beginn der Pandemie hat die Slowakei 29.835 nachgewiesene Infektionen registriert. Mindestens 88 Menschen sind gestorben. Auf den ersten Blick scheint die Zahl der Corona-Toten in dem Land mit 5,4 Millionen Einwohnern zwar gering, doch die in letzter Zeit stark ansteigenden Infektionen machen dem Premier Sorgen. Am Freitag wurden zum ersten Mal mehr als 2.000 Neuinfektionen innerhalb eines Tages gemeldet.
Würde es vier, fünf Wochen mit derartigen Steigerungsraten weitergehen, drohe eine ähnliche Situation wie in Italien im März. Die Krankenhäuser könnten sich dann nicht mehr ausreichend um Patienten kümmern. "Ich habe größte Angst, dass unsere Ärzte und Krankenschwestern zu sterben beginnen", so Matovič.