"Schulz repräsentiert das soziale Europa"
Martin Schulz war offiziell noch gar nicht zum Spitzenkandidaten der Europäischen Sozialdemokraten (SPE) bestellt, da hat ihm sein möglicher Herausforderer, der Christdemokrat Jean-Claude Juncker, eine hohe Latte gelegt: "Das Soziale muss in Europa stärker beachtet werden, wir brauchen Mindeststandards für Arbeitnehmerrechte und einen Mindestlohn in allen EU-Staaten", verlangte Luxemburgs Ex-Premier kurz vor dem SPE-Parteitag am Samstag in Rom. Juncker dürfte nächsten Samstag zur Nummer eins der Europäischen Volkspartei (EVP) für die EU-Wahl und für das Amt des Kommissionspräsidenten gewählt werden. Schulz bekommt einen großen Konkurrenten.
Leidenschaft
Schulz, der mit 92 Prozent zum SPE-Spitzendidaten gewählt wurde, ging auf Junckers Kampfansage nicht direkt ein. Aus seiner leidenschaftlichen Wahlrede ging aber klar hervor, womit er punkten will: Den Millionen jungen Europäern, die ohne Arbeit sind, eine Perspektive geben. "Die junge Generation bezahlt mit Lebenschancen und ihrer Zukunft wegen einer Krise, die sie nicht verursacht hat", sagte er vor versammelter sozialdemokratischer Prominenz – dem deutschen Vizekanzler Sigmar Gabriel, Frankreichs Premier Jean-Marc Ayrault, Kanzler Werner Faymann, Belgiens Elio di Rupo und Gastgeber Matteo Renzi. Unter frenetischem Beifall betonte Schulz siegessicher: "Egal vor welcher Frage ich als Kommissionspräsident stehen werde, mein erster Gedanke ist, neue Jobs für die jungen Leute zu schaffen."
"Das Duo Schulz/Juncker verspricht eine europäischen Wahlkampf vom Feinsten", sagt ein Brüsseler Politikberater. Beide sind eloquent, rhetorisch ein Feuerwerk, politisch profund, mehrsprachig und überzeugte Europäer. Mit sozialen Ansagen dürften beide versuchen, im Lager des jeweiligen anderen zu fischen. Bis zur EU-Wahl vom 22. bis 25. Mai (in Österreich: 25. Mai) soll es TV-Diskussionen mit den Spitzenkandidaten der großen europäischen Parteien geben. Schulz will in allen 28 Mitgliedsländern auftreten.
Das Ziel der SPE: Sie will die EVP als stärkste Fraktion im EU-Parlament ablösen und damit den Kommissionspräsidenten stellen. Umfragen zeigen ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Erstmals können die Wähler über die Zusammensetzung des Parlaments und über die Spitze der EU-Kommission entscheiden.