Politik/Ausland

"Niemand weiß, was die Griechen wollen"

Die Sitzung der Euro-Finanzminister Montagabend hätte, wenn schon kein Ergebnis, dann zumindest eine Annäherung zwischen Griechenland und den anderen 18 Euro-Staaten bringen sollen. Doch am Ende des abrupt beendeten Treffens stand lediglich eine nachhaltige Verstimmung.

Dabei wird, nüchtern betrachtet, um relativ wenig gestritten. Im Vergleich zu den insgesamt 240 Milliarden Euro, die Griechenland an Hilfskrediten erhalten hat, können die aus dem laufenden Hilfsprogramm ausständigen 7,2 Milliarden für die Geldgeber nicht Grund genug sein, um einen Deal platzen zu lassen: Hier könnte man bei den Bedingungen etwas nachlassen.

Umgekehrt müsste die neue griechische Regierung den letzten Rest der Abmachungen ihrer Vorgänger-Administration einhalten können – wenn man bedenkt, dass sie damit die Chance auf ein neues, langfristiges Programm mit neuen Konditionen erhält.

Neue Volte?

Dienstagabend schien in den Schuldenstreit neue Bewegung zu kommen. Medieninformationen zufolge will die Regierung in Athen um eine Verlängerung des laufenden Kreditabkommens um bis zu sechs Monate bitten. Der Antrag solle am Mittwoch gestellt werden, die Bedingungen müssten allerdings noch verhandelt werden. Ungewiss blieb auch, ob die Euro-Partner sich damit zufriedengeben. Sie pochen auf eine Verlängerung des kompletten Hilfsprogramms, das am 28. Februar endet.

Dies lehnt der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras bislang ab, weil er die mit dem Programm verbundenen Reformauflagen für inakzeptabel hält. Er unterscheidet ausdrücklich zwischen dem gesamten Hilfsprogramm und dem Kreditabkommen im Besonderen.

Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble äußerte sich umgehend abweisend zu Athens neuem Ansinnen. Zwar habe er dazu keine näheren Informationen, sagte Schäuble im ZDF. Es gebe allerdings keine Kreditabkommen, sondern nur das Hilfsprogramm für Griechenland. "Es geht darum, dass das Prinzip Hilfe zur Selbsthilfe erfüllt wird", erklärte Schäuble. "Es geht nicht um eine Verlängerung von Kreditprogrammen, sondern es geht darum, ob dieses Programm erfüllt wird, ja oder nein."

Wieso die Gespräche so verfahren und komplex sind?

Grundsatzfragen

Erstens geht es ums Prinzip: Kein Geld gegen Reformzusagen, heißt es in der Eurozone. Keine Fortführung des Spardiktates, tönen die Griechen. "Wir wurden ja gewählt, um die Logik des Hilfsprogramms zu hinterfragen", sagt Finanzminister Yanis Varoufakis.

Zweitens ist die neue griechische Regierung für ihre Gegenüber nicht einschätzbar. "Keiner weiß, was Griechenland will", sagt Finanzminister Schäuble. Bei früheren Hilfspaketen, sagen Eingeweihte, sei immer klar gewesen, dass die betroffenen Länder unbedingt im Euro bleiben wollen. Spricht man aber mit Politikern und Beamten, die Einblick in die aktuellen Schuldenverhandlungen haben, taucht ein Satz so oder so ähnlich immer wieder auf: "Niemand kann sagen, ob Tsipras und Varoufakis einen Crash provozieren wollen – oder ob sie einfach nur sehr ungeschickt verhandeln."

Tatsächlich wirkten einige Züge zuletzt unbeholfen.

Etwa, wie Varoufakis nach Ende der gescheiterten Montagsgespräche öffentlich versuchte, die Eurogruppe zu spalten: Währungskommissar Moscovici habe einen Kompromiss vorgelegt, "den hätte ich sofort unterschrieben", sagte Varoufakis. Nur sei der dann von den anderen Ländern blockiert worden. Falls Moscovici tatsächlich versuchen wollte, Athen entgegenzukommen, hat Varoufakis seinen womöglich einzigen Unterstützer unnötig beschädigt: Nachdem sein angeblicher Kompromiss öffentlich geworden war, konnte Moscovici gar nicht anders, als ihn vehement zu dementieren.

Ein Faktor der schlechten Atmosphäre ist auch, dass die Griechen nicht nur neu an der Macht sind, sondern auch isoliert. Im Gegensatz zu den Vorgänger-Regierungen ist das Syriza-Linksbündnis in keiner der großen EU-Parteienfamilien integriert.

Und noch etwas ist anders, berichten Insider: Frühere griechische Regierungschefs seien stets darauf bedacht gewesen, mit einem Hilfspaket aus Brüssel nach Hause zu kommen, das unter den Wählern keinen sofortigen Aufstand auslöst. Jetzt sei es umgekehrt: Die Revolte an der Wahlurne hat stattgefunden; dadurch gestärkt würden Tsipras und Varoufakis glauben, in Brüssel Bedingungen diktieren zu können.

Frage & Antwort: Was nach dem Ultimatum an Athen passiert, erfahren Sie hier.