Sacharow-Preis geht an inhaftierten Regisseur Oleg Senzow
Der ukrainische Filmregisseur Oleg Senzow ist am Donnerstag mit dem Sacharow-Preis des EU-Parlaments ausgezeichnet worden. Der ÖVP-Delegationsleiter im Europaparlament Othmar Karas erklärte, Senzow stehe für alle Ukrainer, die nach der illegalen Annektierung der Krim durch Russland unrechtmäßig verhaftet und verurteilt worden seien.
Senzow sitze in Haft, weil er Russlands Bruch des Völkerrechts anprangere. Die Verleihung des Sacharow-Preises "erinnert uns daran, dass in Europa noch heute ein Krieg herrscht, der viele Opfer fordert".
Die SPD-Europaabgeordnete Petra Kammerevert betonte, Senzow sei zu einer Symbolfigur des Widerstands gegen die Besetzung der Krim durch Russland geworden. Die Preisverleihung sende eine klare Botschaft an die russische Regierung: "Wir vergessen die Krim und die ukrainischen Bürger nicht".
Mehr als vier Jahre sitzt Oleg Senzow schon in russischen Gefängnissen. Er verbüßt eine 20-jährige Gefängnisstrafe, zu der der Künstler in einem international umstrittenen Prozess im Jahr 2015 durch ein russisches Militärgericht verurteilt wurde - wegen der angeblichen Planung eines "terroristischen Akts" gegen die russische Besatzung auf der Krim. Senzow selbst bestreitet diese Vorwürfe und berichtete von Folter während seinen Vernehmungen. Eine rechtmäßige konsularische Betreuung durch ukrainische Stellen wird ihm mit der Begründung verweigert, dass er mit der Eingliederung der Krim in die Russische Föderation seine ukrainische Staatsangehörigkeit automatisch verloren habe. Von Mai bis Anfang Oktober 2018 war Oleg Senzow im Hungerstreik, um gegen die Inhaftierung von weiteren ukrainischen Staatsangehörigen in russischen Gefängnissen zu protestieren.
Regisseur, Aktivist und politischer Häftling
Sein Leben wurde wie das so vieler Ukrainer auf den Kopf gestellt, als in Kiew Zehntausende Menschen gegen die russlandfreundliche Regierung auf die Straße gingen und sich Russland wenig später 2014 die ukrainische Halbinsel Krim einverleibte. Senzow gehörte zu den Protestierern dagegen.
Im Winter 2013/2014 schließt sich der Filmemacher den prowestlichen Protesten in der ukrainischen Hauptstadt an, die im Februar zum Sturz von Präsident Viktor Janukowitsch und dessen Flucht nach Russland führen. Anschließend unterstützt er die auf der Krim durch russische Truppen blockierten ukrainischen Soldaten mit Lebensmitteln und notwendigen Gütern. Im Mai 2014 gerät er ins Visier des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB. Danach wird er verhaftet.
Der Vorwurf: Er habe mit Gleichgesinnten Sprengstoffanschläge auf Denkmäler geplant und Brände in Büros russischer Organisationen gelegt. Als Beleg dienen vor allem Aussagen von Mitangeklagten. Im Prozess werden sie zum Teil widerrufen. Sie seien unter Zwang erlangt worden. Trotzdem verurteilt ein russisches Gericht den heute 42-Jährigen zu 20 Jahren Lagerhaft.
Senzow wurde 1976 in Simferopol auf der Halbinsel Krim geboren, studierte in den 1990er-Jahren Wirtschaft in Kiew und belegte später Regiekurse in Moskau. In Simferopol betrieb er einen Computerclub, der auch zum Gegenstand seines ersten und einzigen Filmes "Gamer" 2011 wurde. Sein zweites Filmprojekt trägt den Titel "Nashorn".
Die Verurteilung führte auch zu Konflikten in der Familie Senzows. 2016 lässt sich seine Frau Alla scheiden, zieht nach Kiew und bricht jeden Kontakt zur Familie ab. Die beiden gemeinsamen Kinder Alina und der an Autismus leidende Wladislaw leben russischen Medienberichten zufolge inzwischen bei Senzows Schwester Galina auf der Krim. Zuvor kümmerte sich lange Zeit die inzwischen 75-jährige Großmutter um sie.
Pikant: Galinas Mann, der ursprünglich vom ukrainischen Geheimdienst SBU angeheuert wurde, arbeitet mittlerweile für den russischen Inlandsgeheimdienst FSB und sagte gegen den "ehemaligen Bruder" seiner Frau vor Gericht aus. Senzows Neffe ist mittlerweile auch für den FSB tätig.