Russland-USA-China: Wettrüsten mit Überschall-Geschwindigkeit
Es war eine strategisch perfekt lancierte Störung des weltpolitischen Weihnachtsfriedens. Am zweiten Weihnachtsfeiertag präsentierte Russlands Präsident Wladimir Putin der Weltöffentlichkeit das perfekte „Neujahrsgeschenk für mein Land“.
„Avangard“ nennt sich die Interkontinentalrakete, die, von Südwest-Russland abgefeuert, weniger als eine Stunde später ein Ziel auf der pazifischen Halbinsel Kamtschatka traf. Zumindest war das die Botschaft, die das russische Staatsfernsehen und alle seine internationalen Propagandavehikel wie Russia Today in die Welt hinausposaunten. Auch die sozialen Medien wurden großzügig mit Videomaterial beliefert, das die Rakete im Flug zeigte.
Militärexperten in Washington reagierten unüberhörbar konsterniert. „Man hat uns abgehängt“, meinte etwa Michael Griffin, US-Staatssekretär für Forschung, gegenüber der Washington Post, sowohl Russland als auch China seien bei der Entwicklung solcher Überschallwaffen deutlich vor den USA: „Wir müssen viel rascher vorankommen.“ Konkret handelt es sich um Raketen, die zumindest 6-fache-Schallgeschwindigkeit erreichen, dabei aber steuerbar bleiben und so Raketenabwehr-Systeme überwinden können. Klassische Interkontinentalraketen dagegen steuern auf einem festgelegten Kurs und sind so leichter auszuschalten.
Entsprechend triumphierend hörte sich Putins Kommentar zum Start der Rakete an: Russland habe eine neue Generation strategischer Waffen und diese werde über Jahre unerreichbar für Raketenabwehrsysteme sein.
Moskaus wunder Punkt
Für Moskau seit Jahrzehnten ein wunder Punkt. Die von den USA – auch gegen internationale Abrüstungsverträge – vorangetriebene Stationierung von Raketenabwehr betrachtet man als Herausforderung. Die Entwicklung von Raketen, die die diese Abwehrsysteme überwinden können, ist seit langem vorrangiges Ziel der russischen Militärs. Einerseits versucht man die Systeme zu überwinden, indem man die Raketen mit Mehrfachsprengköpfen ausstattet, die unabhängig voneinander ins Ziel gesteuert werden können, andererseits indem man die Fluggeschwindigkeit dieser Raketen drastisch erhöht.
Russland hat zuletzt an mehreren Typen dieser neuen Generation von Überschall-Raketen gebaut. Auch China hat solche Systeme in Entwicklung. Ob die russische „Avangard“ tatsächlich das leistet, was das nun lancierte Propaganda-Material verspricht, wird allerdings von westlichen Experten angezweifelt. Es gebe zahlreiche Probleme wie etwa die Hitzeentwicklung in den Gefechtsköpfen bei den ungewöhnlich niedrig fliegenden Raketen. Auch deren tatsächliche Bestückung mit einem Atomsprengkopf sei nicht ausreichend gelöst. Russland dagegen spricht bereits von nuklearer Bestückung der neuen Raketen. In Washington jedenfalls sind bereits heuer Sonderbudgets für die Entwicklung solcher Überschall-Flugkörper an US-Rüstungsfirmen vergeben worden. konrad kramar