Russland muss bald auf Geld und Technologie aus Europa verzichten
Es sind entscheidende Tage für die Beziehungen zwischen Russland und der EU: Am Samstag wurden die Spitzen des Moskauer Sicherheitsapparates mit Einreiseverboten und Kontosperren belegt. Diese Woche wollen die EU-Staaten harte Wirtschaftssanktionen gegen Russland beschließen.
Über das Wochenende haben die Experten der EU-Kommission einen breiten Maßnahmen-Katalog ausgearbeitet. Für Montag, und Dienstag sind Sitzungen der EU-Botschafter angesetzt. Sie sollen die vorgeschlagenen Sanktionen sondieren und ausloten, wo Möglichkeit auf eine Einigung besteht.
Waffenembargo
Die politische Entscheidung liegt dann bei den Staats- und Regierungschefs: Sie könnten ihren Botschafter das Okay für die Zustimmung geben. Auch ein Sondergipfel diese Woche in Brüssel ist nicht ausgeschlossen.
Das Sanktionen-Paket, das die Kommission ausgearbeitet hat, ist ziemlich breit – nicht alles davon wird in den nächsten Tagen beschlossen werden. Im Gespräch ist – wie berichtet – ein Waffenembargo, ebenso ein Export-Stopp von Hochtechnologieprodukten, dazu eingeschränkte Lieferung von Spezialanlagen zur Öl- und Gasförderung. Erwägt wird auch, den Zugang russischer Banken zu den europäischen Kapitalmärkten zu beschränken.
Angst vor den Folgen
Eine große Hürde bei den neuen Sanktionen wird es sein, die Folgen möglichst gleichmäßig auf die 28 EU-Mitglieder zu verteilen. So überrascht es nicht, dass sich bisher Großbritannien, Polen und Schweden am lautesten für harte Maßnahmen eingesetzt haben – sie exportieren zusammen weniger nach Russland als Deutschland allein, wären also von Sanktionen deutlich weniger betroffen. In Berlin pocht man zwar darauf, dass es ein (für die EU in den Folgen) ausgewogenes Paket sein muss, signalisiert aber Bereitschaft zu harten Sanktionen: "Oberste Priorität hat die Wahrung von Stabilität und Frieden", sagte Finanzminister Wolfgang Schäuble der Bild am Sonntag.
Auf der Bremse stand bisher Frankreich, das um einen milliardenschweren Rüstungsauftrag aus Moskau bangt, an dem Tausende Arbeitsplätze hängen: Die Regierung in Paris beharrt bisher darauf, zumindest einen der bestellen Mistral-Hubschrauberträger wie geplant im Herbst zu liefern.
Falls die EU ihre Pläne für weitere Sanktionen in die Tat umsetzt, könnte das vor allem den russischen Energiesektor treffen. Pläne für die Erschließung und Ausbeute von Lagerstätten in der russischen Arktis könnten so zunichte gemacht werden.
Die weit größere Gefahr aber droht der russischen Finanzwirtschaft: Die europäischen Finanzmärkte könnten für Russland zur No-go-Zone werden. Die Sanktionen, so ein Sprecher der EU-Delegation in Russland bei Radio Echo Moskwy, sollen auch Unternehmen treffen, die finanzielle Vorteile aus Russlands Ukraine-Politik ziehen. Darunter auch solche auf der Krim: die Häfen Sewastopol und Kertsch, sowie der Massandra-Konzern. Er stellte schon in der Zarenzeit Portweine her, die mit denen von der Iberischen Halbinsel durchaus konkurrieren können. Genau das, so Konzernchefin, Janina Pawlenko, sei auch der Hintergrund für das Embargo, aber nicht weiter schlimm. Derzeit beschränke sich die Zusammenarbeit mit Europa auf Import von Korken und es gäbe Alternativen.
Die Sanktionen, ätzte auch ein Sprecher der Krim-Regierung, seien „kaum mehr als ein Mückenstich“.
Tschetschenen-Präsident Ramzan Kadyrow, der seit Freitag ebenfalls auf der Black List steht, konterte mit einer eigenen Liste böser Buben, angeführt von US-Präsident Barack Obama.
Das russische Außenamt dagegen sieht das drohende Embargo offenbar weit weniger entspannt und schlug Samstag ungewöhnlich schrille Töne an. Von Selbstkasteiung Europas nach Art der in Russland sprichwörtlichen „Unteroffizierswitwe, die sich selbst auspeitscht“, war da die Rede. Die Sanktionen gegen hochrangige russische Geheimdienstler würden die Zusammenarbeit bei der Bekämpfung von Extremismus und organisierter Kriminalität gefährden. Die globale Terrorismus-Szene, die seit Jahren vergeblich versucht, die internationale Gemeinschaft zu spalten, werde begeistert sein, Brüssel trage dafür die volle Verantwortung.