Kreml-Partei will Parlamentswahlen vorziehen
Von Elke Windisch
Staatsrechtler zucken mit den Schultern. Normalerweise, sagt schließlich einer, würde man von "politischem Selbstmord" sprechen. In Russland dagegen sei alles möglich. Gemeint ist eine Vorlage, über die die Duma kommende Woche abstimmen könnte. Es geht um die eigene Auflösung, um den Weg für vorgezogene Neuwahlen frei zu machen. Mit Ausnahme der Kommunisten haben alle Parteien an dem Entwurf mitgestrickt. Auch die Kreml-Partei "Einiges Russland".
Das Problem: Die Verfassung sieht Selbstauflösung der Duma nicht vor, Auflösung durch den Präsidenten nur bei unüberwindbarem Konflikt mit der Regierung. Doch das Verfassungsgericht erklärte sich nun bereit, das Begehren zu prüfen.
Weniger Beteiligung
Was für einen Sinn macht es, fragen sich Unbedarfte, die Duma, statt wie geplant im Dezember 2016 drei Monate früher neu zu wählen? Die offizielle Begründung – termingerechte Verabschiedung des Haushalts – ist wenig plausibel, auch die Kosten dürften kaum geringer ausfallen, wenn Parlaments-, Regional- und Kommunalwahlen zugleich abgehalten werden. Kremlkritiker – allen voran die Liberalen – glauben, es solle die Beteiligung gedrückt werden. Davon profitiert erfahrungsgemäß die Kremlpartei.
Ganz unbegründet sind die Ängste nicht. Seit Lokalwahlen statt im Oktober Anfang September stattfinden, sparen sich viele den Weg zur Urne. In den Wochenendgärten müssen die Kartoffeln aus der Erde geholt werden. Andere wissen nicht, wen sie wählen sollen. Denn der Wahlkampf findet in den Sommerferien statt und daher in halb leeren Städten. Dort, wo die Mittelschicht wohnt: Die potenzielle Klientel der Liberalen. Doch umwerben können die ihre Zielgruppe nur indirekt.
Denn staatliche Medien (das sind die meisten) müssen nur über die in der Duma vertretenen Parteien – "Einiges Russland" und drei pseudo-oppositionelle – berichten. Geschwächt werden die Liberalen zudem durch interne Machtkämpfe. Sie muss der Kreml also nicht fürchten. Bleiben unabhängige Kandidaten, die um Direktmandate kämpfen. Sie sollen durch einen extrem kurzen Wahlkampf ausgebootet werden. All das zugunsten der Kremlpartei, die sich, mit Blick auf die Präsidentenwahl 2018, um die Rückeroberung der 2011 verlorenen Zweidrittelmehrheit bemüht.