Piraterie: Greenpeace-Aktivisten angeklagt
Von Elke Windisch
Die russische Justiz – abhängig? Anklageschrift und Urteile – im Kreml geschrieben? Mitnichten. Kein Geringerer als Wladimir Putin selbst hatte den 30 Greenpeace-Aktivisten, die Mitte September versucht hatten, auf einer Bohr-Plattform im Eismeer gegen Öl- und Gasförderung in der ökologisch hochsensiblen Arktis zu protestieren, letzte Woche attestiert, sie seien „natürlich keine Piraten“. Die Ermittlungsbehörde bei der russischen Generalstaatsanwaltschaft zeigte sich unbeeindruckt: Gestern wurden zwei Aktionsteilnehmer – eine Aktivistin aus Brasilien und ein britischer Kameramann – offiziell wegen Piraterie angeklagt. Die restlichen sollen mit gleichen Vorwürfen vor den Kadi gezerrt werden – und müssen mit bis zu fünfzehn Jahren Haft rechnen.
Mit der Arctic Sunrise, einem Schiff, das Greenpeace gehört und unter niederländischer Flagge kreuzt, waren die Umweltschützer in die Petschora-See – ein Randgewässer der Barentssee – eingelaufen, hatten dort am 18. September Schlauchboote zu Wasser gelassen und damit versucht, zur Bohrinsel Priraslommnaja zu gelangen, wo die Öltochter von Staatskonzern Gazprom zusammen mit dem britisch-niederländischen Ölmulti Shell 2014 die Förderung aufnehmen will. Grenzschützer schleppten das Expeditionsschiff in den Kriegshafen Murmansk, wo die Umweltschützer seit Ende letzter Woche in U-Haft sitzen. In unbeheizten Einzelzellen, wo die Temperatur nur knapp über dem Gefrierpunkt liegt. Waschräume dürfen sie nur eingeschränkt nutzen.
Eine finnische Aktivistin, der die Schilddrüse entfernt wurde, kommt zudem nicht mehr an dringend benötigte Medikamente heran. Sie liegen auf der Arctic Sunrise, von der bis zum Abschluss der Ermittlungen nichts entfernt werden darf. Montag stellten Fahnder dort „Equipment mit unklarer Bestimmung“ und „Dokumente in ausländischer Sprache“ sicher.
Zu Ausrüstung und Papieren, die derzeit ins Russische übersetzt werden, sollen Gutachten erstellt werden, die die Vorwürfe bestätigen. Neben Piraterie wird auch wegen Widerstand gegen die Staatsgewalt ermittelt. Die Umweltschützer sollen Aufforderungen der Küstenwache, ihre Aktion abzubrechen, ignoriert und sogar versucht haben, deren Boote zu rammen.
Das Vorgehen der russischen Justiz sorgte weltweit für Empörung. Auch Dienstagabend beim Schalke-Spiel in der Champions League in Basel. Greenpeace-Aktivisten seilten sich vom Stadiondach ab und entrollten in der Arena ein riesiges Protest-Transparent. Sogar Schalke-Manager Horst Heldt äußerte Verständnis für die Anliegen von Greenpeace .