Greenpeace-Aktivisten drohen 15 Jahre Haft
Von Elke Windisch
Bis zu fünfzehn Jahre Haft drohen jenen Greenpeace-Aktivisten, die die Ölförderung in der Arktis stoppen wollten. Ende letzter Woche hatten sie versucht, die Bohrplattform Prirazlommnaja zu besetzen. Sie gehört dem Staatskonzern Gazprom, der 2014 zusammen mit der britisch-niederländischen Shell in der Petschora-See das erste Öl fördern will. Obwohl Naturschutzgebiete mit bedrohten Tierarten wie Walrossen und Weißwalen nur 50 km entfernt sind und bei einem Unfall das hochsensible Ökosystem des Nordpolarmeers irreversible Folgen davon tragen würde.
Bei einer Havarie, so warnte Roman Dolgow, der Chef des Greenpeace-Arktis-Programms, schon im August letzten Jahres, würde ein Gebiet doppelt so groß wie Irland verseucht, die Küste dabei auf einer Länge von 3500 Kilometern mit einer giftigen Ölschicht verschmutzt werden, die sich in der Arktis kaum abtragen lässt.
Gekapert
Greenpeace spricht von „Kapern“ und Verstoß gegen internationales Recht: Die Bohrinsel liege in Russlands 200-Meilen-Wirtschaftszone. Doch anders als in Territorialgewässern (zwölf Seemeilen) würden dort keine Beschränkungen für internationale Schifffahrt gelten.
Dennoch müssen sich die Aktivisten, die seit Dienstagabend in U-Haftanstalten in der Gebietshauptstadt Murmansk sitzen und vernommen werden, wegen Piraterie verantworten. Ihr Besetzungsversuch, so der Sprecher der Ermittlungsbehörde bei der russischen Generalstaatsanwaltschaft, sei ein „Anschlag auf die Souveränität des Staates“.
Der Protest hält sich – wenigstens in Russland – in Grenzen. Sogar der sonst sehr kritische Radiosender Echo Moskwy rügte, die Umweltschützer würden ihre Aktivisten bezahlen und damit das Vertrauen der Öffentlichkeit in ihre edlen Absichten untergraben. Auch hätten sie die Sicherheit auf der Plattform gefährdet und damit genau jene Umweltkatastrophe herbeiführen können, die sie vermeiden wollen. Der Piraten-Paragraf indes greife nicht und sei nur Wasser auf die Mühlen jener, die Putin ein gestörtes Verhältnis zu Rechtstaatlichkeit unterstellen. Dieser sagte zwar, die Greenpeace-Aktivisten seien keine Piraten. Mit dem Versuch, „sich der Bohrplattform zu bemächtigen“, hätten sie aber Völkerrecht verletzt.
Der Zwischenfall kommt für Moskau ungelegen: Putin ist Gastgeber des Arktis-Dialogforums, das gestern im nordwestsibirischen Selechard zu Ende ging. Vertreten waren die Staatschefs mehrerer Pol-Anrainer, die mit Sorge verfolgen, wie Russland versucht, seine Wirtschaftszone in der Arktis auszudehnen: Im Eismeer lagern riesige Öl- und Gasvorkommen, Erschließung und Abbau werden durch den Klimawandel immer leichter.
Greenpeace
Gründung Zwischen 1969 und 1972 formierte sich in Kanada Widerstand gegen US-Atombombentests in Alaska.
Rainbow Warrior 1978 schaffte Greenpeace das erste größere Schiff an: Die Rainbow Warrior, von der aus unter anderem Aktionen gegen Atomtests gestartet wurden. 1985 sank das Schiff nach einem Anschlag durch Frankreichs Geheimdienst – nach einer Aktion gegen französische Atomtests auf dem Mururoa-Atoll im Pazifik. Derzeit betreibt Greenpeace zwei große Schiffe.