Politik/Ausland

Russland: Assad-Abgang schon geplant?

Vizeaußenminister Michail Bogdanow, der Kremlchef Wladimir Putin auch als Sondergesandter für den Nahen Osten und Afrika dient, gab sich schmallippig, als ihn die Moskauer Nachrichtenagentur Interfax gestern nach einem konkreten Zeitplan fragte, den die Wiener Syrien-Konferenz abgestimmt haben soll – inklusive eines Endes des Assad-Regimes. Ein solches Papier gebe es nicht.

Zwar sei es möglich, dass die USA sich mit einschlägigen Absichten trügen. Moskau indes halte an seiner prinzipiellen Position für die Regelung des Syrien-Konflikts fest: Über die Zukunft des Landes und damit auch über dessen Führung habe allein das syrische Volk zu entscheiden. "So steht es auch in den Wiener Vereinbarungen", sagte der Diplomat wörtlich.

John Kirby, der Sprecher des State Departments in Washington, hatte die Existenz eines konkreten Zeitplans indes am Donnerstag bestätigt. Neben US-amerikanischen hatten auch russische Medien daraus ganze Passagen zitiert.

Neuwahlen

Laut Online-Zeitung Lenta.ru geht es dabei um einen Zeitraum von anderthalb Jahren. Vorbereitungen für Verhandlungen zwischen Vertretern von Präsident Baschar Assad und der Opposition sollen schon im Februar anlaufen, beide Seiten sich im April auf die Bildung eines gemeinsamen Sicherheitskomitees verständigen. Für Mai werde die Auflösung des syrischen Parlaments anvisiert, gleich danach soll eine provisorische Legislative mit den Vorbereitungen für Neuwahlen beginnen und bis November auch der Entwurf einer neuen Verfassung vorliegen.

Diese solle im Jänner 2017 durch einen Volksentscheid in Kraft gesetzt werden. Im März 2017 sollen Machthaber Assad und dessen Paladine alle Ämter abgeben, im August Parlament und Regierung neu gewählt werden. Vorgesehen ist auch eine internationale Konferenz von Geberländern, die sich am Wiederaufbau Syriens beteiligen.

Dafür habe US-Außenminister John Kerry schon während seines Moskau-Besuchs Mitte Dezember geworben, schreibt Lenta.ru weiter. Bei den Konsultationen sei es zwar zu einer Annäherung der Positionen gekommen, für den Plan selbst hätten sich die Gastgeber indes nicht erwärmen können. Russland und Iran, so habe Putin Kerry wissen lassen, würden keine Pläne unterstützen, die einen Machtwechsel in Damaskus durch "Druck von außen" vorsehen.

Assad-Anhänger

Umstritten, so ein russischer Diplomat, sei nach wie vor die politische Zukunft Baschar Assads. Anders als Washington wolle Moskau ihm die Teilnahme an Neuwahlen ermöglichen. Er habe, so die offizielle Argumentationslinie, zahlreiche Anhänger, würden deren Rechte geschmälert, könnte leicht neues Blut fließen. Um das zu verhindern, müssten auch konkrete Mechanismen für Assads Machtverzicht vereinbart werden. Östliches Politikverständnis unterscheide sich von abendländischem unter anderem durch große Affinität für Form und Zeremoniell, warnen auch Nahostexperten.

Aus deren Sicht droht sogar Widerstand von Washingtons engsten Verbündeten in der Region, aus anderem Grund: Saudi-Arabien, die Türkei und Katar wollten den sofortigen und bedingungslosen Rücktritt Assads. Eine achtzehnmonatige Übergangsfrist würden sie als "nicht radikal genug" und als "Verrat" empfinden.

Assad selbst hatte im Herbst in einem Interview für das russische Fernsehen erklärt, er könne sein Amt "unmöglich aufgeben", bevor die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) besiegt ist.