Politik/Ausland

Russlands Taktik des "wahllosen Artilleriebeschusses"

Tag 82 nach dem russischen Angriff auf die Ukraine: Nach britischen Erkenntnissen setzen die russischen Streitkräfte zunehmend auf "wahllosen Artilleriebeschuss". Russland habe nur begrenzte Möglichkeiten zur Erfassung von Zielen und scheue zudem das Risiko, Kampfflugzeuge über ukrainisch kontrolliertem Gebiet einzusetzen, teilte das Verteidigungsministerium in London am Dienstag unter Berufung auf die Geheimdienste mit.

"In den kommenden Wochen wird sich Russland wahrscheinlich weiterhin stark auf massive Artillerieangriffe verlassen, wenn es seine Offensive im Donbass wieder in Schwung zu bringen versucht."

Während des erfolglosen russischen Angriffs auf die Hauptstadt Kiew seien im nordukrainischen Gebiet Tschernihiw rund 3.500 Gebäude zerstört oder beschädigt worden, teilte das Ministerium weiter mit.

Rund 80 Prozent der Zerstörungen beträfen Zivilgebäude. "Das Ausmaß dieser Schäden zeigt die Bereitschaft Russlands, Artillerie gegen Wohngebiete einzusetzen." Dabei werde nur minimal auf Verhältnismäßigkeit gesetzt.

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Keinerlei Gespräche

Auf diplomatischer Ebene herrscht zwischen den beiden Ländern derweil Funkstille, Russland und die Ukraine führen nach russischen Angaben derzeit keinerlei Gespräche.

"Nein, die Verhandlungen gehen nicht weiter", sagt der russische Vize-Außenminister Andrej Rudenko der Nachrichtenagentur Interfax zufolge. "Die Ukraine hat sich praktisch aus dem Verhandlungsprozess zurückgezogen."

Kreml: Westen führt Krieg gegen Russland

Der Kreml hat dem Westen vorgeworfen, gegen Russland einen Krieg zu führen. „Es sind Feindstaaten. Weil das, was sie tun, Krieg ist“, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Dienstag bei einem Auftritt auf einer Bildungskonferenz bei Moskau.

Präsident Wladimir Putin hatte zuvor schon von mit Blick auf die westlichen Sanktionen von einem wirtschaftlichen „Blitzkrieg“ gesprochen. Der eigene Angriffskrieg auf die Ukraine, der inzwischen fast drei Monate dauert, wird von der russischen Führung nur „militärische Spezialoperation“ genannt.

Peskow sagte, der Westen führe einen diplomatischen, wirtschaftlichen und politischen Krieg gegen sein Land. „Faktisch erleben wir jetzt einen perfekten Sturm und den Moment der Wahrheit.“ Russland müsse zeigen, dass es in der Lage sei, seine Interessen zu schützen. „Aber jeder Krieg endet mit einem Frieden. Und dieser Frieden wird so gestaltet sein, dass unsere Stimme zu hören ist, wo wir bequem und sicher sind und fest auf unseren Beinen stehen.“

Als „perfekter Sturm“ wird im übertragenen Sinne eine maximale Katastrophe bezeichnet, bei dem alle negativen Faktoren zusammenkommen.

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In der westrussischen Region Kursk an der Grenze zur Ukraine sind nach Behördenangaben mehrere Gebäude unter Feuer genommen und beschädigt worden. "Heute, um fünf Uhr früh, wurde das Grenzdorf Alexejewka im Kreis Gluschkowo mit schweren Waffen beschossen", teilte Gouverneur Roman Starowoit am Dienstag mit. Demnach wurden drei Wohnhäuser, eine Schule und ein Fahrzeug beschädigt. Verletzte habe es nicht gegeben. Aus der Ukraine gab es zunächst keinen Kommentar.

Nach russischen Angaben handelt es sich um einen Angriff aus der Ukraine. Das Feuer sei durch den Grenzschutz erwidert worden. Nach Beginn des russischen Angriffskriegs Ende Februar gerieten in den vergangenen Wochen auch grenznahe russische Gebiete unter Beschuss.

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Das ukrainische Militär hat unterdessen nach eigenen Angaben russische Truppen vor der Großstadt Sjewjerodonezk im Osten des Landes zurückgeworfen. "Nahe der Ortschaft Syrotyne haben die russischen Eroberer Verluste erlitten und sich zurückgezogen", teilte der Generalstab am Dienstag in seinem Lagebericht mit. Syrotyne liegt vier Kilometer südlich von Sjewjerodonezk. Auch in mehreren anderen Richtungen seien die russischen Truppen erfolglos geblieben.

Auch der Gouverneur der Region Luhansk, Serhij Hajdaj, berichtete aus der Umgebung der Großstadt von schweren Gefechten. In den Vororten Girske und Solotoje seien mehrere Häuser durch Artilleriegeschosse zerstört worden. Die Russen hätten sich aber auch dort zurückziehen müssen. "Die Verluste des Feindes sind hoch", schrieb Hajdaj auf seinem Telegram-Kanal. Von unabhängiger Seite waren die Angaben nicht zu überprüfen.

Die Agglomeration Sjewjerodonezk-Lyssytschansk ist die letzte Region im ostukrainischen Gebiet Luhansk, die derzeit noch von regierungstreuen Truppen kontrolliert wird. Die prorussischen Rebellen und die russische Armee haben inzwischen rund 90 Prozent des Gebiets erobert. Sie versuchen seit Wochen, die Städte einzukesseln und einzunehmen.

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