Rumäniens Präsident Iohannis: "Ich kämpfe gegen Korruption"
Rumänien übernimmt am 1. Jänner 2019 die EU-Ratspräsidentschaft von Österreich. Mit Staatspräsident Klaus Iohannis sprach der KURIER über den bevorstehenden EU-Vorsitz seines Landes und seinen Kampf gegen die sozialdemokratisch geführte Regierung. Seine Nationalliberale Partei (PNL) ist Mitglied der Europäische Volkspartei.
KURIER: Herr Präsident, welche Schwerpunkte für den EU-Vorsitz hat Rumänien?
Klaus Iohannis: Die Ratspräsidentschaft ist von vielen Herausforderungen und schwierigen Dossiers geprägt: der Austrittsprozess Großbritanniens, der mehrjährige Finanzrahmen, Migration, die Debatte über die Zukunft der EU. Eine gemeinsame Vision und die Aufrechterhaltung europäischer Werte muss Priorität für alle Mitgliedsländer sein.
Was ist die Vision konkret?
Das Anliegen nach Einheit, Zusammenhalt und Solidarität zwischen den Mitgliedern muss in den Vordergrund rücken. Es geht um die Einheit der Union. Die Menschen erwarten klare Antworten auf ihre Probleme. Rumänien will konkrete Ergebnisse für die Bürger liefern. Ein zentrales Projekt wird der informelle Europäische Rat sein, der am 9. Mai 2019 in Sibiu stattfindet. Der Gipfel widmet sich der Debatte über die Zukunft der EU. Wir hoffen, dass das Treffen eine klare und positive Perspektive für die Union bietet, und dass er die europäischen Bürger sensibilisiert.
War der österreichisch EU-Vorsitz bei der Balkan-Annäherung und der Lösung der Migrationsfrage erfolgreich?
Österreichs EU-Ratspräsidentschaft ist noch im Amt, ich kann nur vorläufige Schlüsse ziehen. Wir schätzen die Bemühungen Österreichs bei Migration und der Heranführung der Westbalkanstaaten an die EU. Auch Rumänien ist für die Erweiterungspolitik als Instrument der Stabilität und Sicherheit auf dem europäischen Kontinent.
Die Migrationsfrage wird wohl ungelöst bleiben. . .
Wir wollen hier die Bemühungen Österreichs weiterführen. Migration ist ein äußerst sensibles Thema. Es geht um eine gemeinsame Herangehensweise, die zu einer europäischen Lösung führt. Derzeit gibt es noch unterschiedliche Meinungen. Wir sind zuversichtlich, dass eine Annäherung der Positionen gelingt. Die Lösung ist ein mehrstufiger Ansatz.
Ist der Brexit nicht ein fatales politisches Signal?
Wir respektieren diese Entscheidung, selbst wenn sie für uns bedauerlich ist. Die EU ist für jedes Szenario vorbereitet. Dabei ist die EU einig wie nie zuvor, das ist ein politisches Signal für Solidität. Der Prozess ist noch nicht beendet, unser Anliegen ist, mit London so schnell wie möglich zu einer Vereinbarung zu kommen. Wir hoffen auf die Zustimmung der Briten für einen geordneten Rückzug. Das ist die Voraussetzung für enge künftige Beziehungen mit Großbritannien.
Wird die EU-Wahl 2019 nationale und rechtspopulistische Parteien stärken wird?
Die Art und Weise wie wir es schaffen, die Herausforderungen Brexit, Migrationskrise und den zukünftigen Haushalt der EU politisch zu lösen, wird über die Zukunft der EU nach 2019 maßgebend entscheiden. Mit guten Lösungen für diese Probleme könnte man aufstrebenden populistischen Tendenzen, die eine Realität sind, entgegenwirken. Ein Problem für Europa ist der unzureichende Dialog zwischen Bürgern und Politikern. Wir müssen klare Antworten geben und besser kommunizieren. Als Ratspräsidentschaft wollen wir so viele Gesetze wie möglich, die den Alltag der EU-Bürger beeinflussen, abschließen. Wenn wir Erfolge erzielen, überzeugt die populistisch-nationalistische Rhetorik nicht mehr. Die Europa-Wahl wird uns zeigen, wie vertrauenserweckend wir waren.
Sind Sie für das Spitzenkandidaten-Prinzip bei der Wahl des EU-Kommissionspräsidenten?
Die Spitzenkandidaten-Erfahrung von 2014 war positiv und wird bei den Europawahlen in 2019 wiederholt. Der Mehrwert des Spitzenkandidaten-Prinzips ist eine europäische Debatte, die es den Wählern erlaubt, die Programme der Kandidaten und der Parteien zu verstehen, zu bewerten und zu vergleichen. Auf diese Weise fühlen sich die Bürger als Teil des Entscheidungsprozesses und verantwortlich für die politischen Ideen, die sie mittragen.
Sie sind als Nachfolger von EU-Ratspräsident Tusk im Gespräch. Reizt Sie der Job?
Ich darf darauf hinweisen, dass ich bereits im Juni dieses Jahres die Kandidatur für ein neues Mandat als Präsident von Rumänien öffentlich verkündet habe.
Sie kämpfen unermüdlich gegen Korruption und für den Rechtsstaat. Sie sind der politische Gegenspieler zu den regierenden Sozialdemokraten. Wie wollen Sie Streit während des EU-Vorsitzes vermeiden?
Ich bin ein Gegner für alle, die den Kampf gegen Korruption und Rechtsstaatlichkeit in Rumänien gefährden, ungeachtet ob sie Mitglieder der Regierung sind oder nicht. Es stimmt, dass die jetzige parlamentarische Mehrheit, die die PSD-Regierung unterstützt, sich für die Schwächung der Korruptionsbekämpfung und der Unabhängigkeit der Justiz einsetzt. Ich unterstütze den Kampf gegen die Korruption. Vom ersten Tag meines Mandates an nutze ich alle Befugnisse, die mir die Verfassung gibt, um die Inkraftsetzung von Gesetzen, die das Justiz- und Strafrecht schwächen, zu verhindern.
Sie haben gesagt, Rumäniens Regierung sei nicht gut auf den EU-Vorsitz vorbereitet?
Es ist offensichtlich, dass es wünschenswert wäre, eine besser vorbereitete Regierung zu haben, die zugunsten Rumäniens diese Gelegenheit nutzt. Auch unter diesen schwierigen innenpolitischen Umständen können wir eine vernünftige EU-Ratspräsidentschaft gestalten. Abgesehen von den Kontroversen und diametral entgegengesetzten Vorstellungen von mir und der Regierung zu Justiz und Rechtsstaatlichkeit, hoffe ich, dass die Streitigkeiten keine negative Auswirkung auf die Ausübung der Präsidentschaft haben werden.
Warum macht Ihre Regierung so wenig gegen Korruption?
Seit eineinhalb Jahren gelingt es durch die Bürgerbeteiligung, durch die Einwände der Opposition und durch meinen Einsatz Änderungen in der Justizgesetzgebung auszubessern und das Inkrafttreten neuer Gesetze zu verschieben. Rumänen wünschen sich die Konsolidierung der Demokratie und des Rechtsstaates. Die Mehrheit der Bürger will, dass der Kampf gegen Korruption eine Priorität bleibt.
Warum versteht die Regierung die Anliegen der Bürger nicht?
Leider versucht die regierende Koalition die Justizgesetze und das Strafrecht willkürlich zu verändern, ohne Rücksicht auf Forderungen der Opposition, der Berufsverbände oder der Rumänen, die auf die Straße gegangen sind. Der Justizminister versucht, die Generalstaatsanwälte von ihrem Amt zu entfernen. Das bestätigt eindeutig den Versuch, die Justiz der Politik unterzuordnen. Begünstigt davon sind eine Reihe von Politikern in hohen öffentlichen Ämtern.