Politik/Ausland

Rumänien: Das baldige EU-Vorsitzland am Pranger

Ein Präsident, der die Regierung als unfähig bezeichnet; eine Regierung, in der Minister wechseln wie in einem Taubenschlag; ein verurteilter und angeklagter Schattenpremier, der die eigentliche Ministerpräsidentin vor sich her treibt, um sich die Justiz zurecht zu zimmern. Nein, Rumänien macht keinen gerade geordneten Eindruck eineinhalb Monate vor Übernahme der EU-Ratspräsidentschaft. Und am Dienstag flatterten weitere trübe Nachrichten aus Brüssel ein: Die Kommission stellte in ihrem jährlichen Bericht schwerwiegende Rückschritte bei der Rechtsstaatlichkeit in dem Land fest. Die Rede ist bereits von einem Rechtsstaats-Verfahren nach Artikel 7. Gegenstand der Kritik aus Brüssel sind vor allem Umbauarbeiten der Regierung in der Justiz sowie bei der Korruptionsbekämpfung aber auch die Pressefreiheit, die in Gefahr sei. Fazit: "Rechtsstaatlichkeit und Pressefreiheit sind in Rumänien massiv bedroht."

Es ist davon auszugehen, dass der Bericht in den Regierungskreisen in Bukarest selbst nicht auf allzu große Resonanz fallen wird – wie auch schon ähnlich lautende Kritik seitens des Europarates. Der hatte die Einschüchterung von Richtern und Staatsanwälten durch Politiker bemängelt.  Auch das stieß in Bukarest auf taube Ohren. Schließlich ist man da vor allem mit sich selbst beschäftigt. Als „heikle Zeit“ beschreibt der Politologe Alex Coita die rumänische Gegenwart.

 

"Unfall der Demokratie"

Die vergangenen Tage hatten es dabei durchaus in sich: Am Freitag trat Europaminister Victor Negrescu offensichtlich nach einem intensiven Streit im Kabinett zurück. Das pikante an der Sache: In sein Ressort fallen die Vorbereitungen auf die EU-Ratspräsidentschaft. Am Montag legte gleich Staatspräsident Klaus Johannis nach: Bei einem Treffen mit Lokalpolitikern in Bukarest forderte er den Rücktritt der Regierung. Es bestehe die „politische Notwendigkeit“, rasch „diesen Unfall der Demokratie“ – wie er die Regierung unter Ministerpräsidentin Viorica Dancila nannte – zu beseitigen. Auf den EU-Ratsvorsitz sei man überhaupt nicht vorbereitet.

Und auch das macht in Brüssel sorgen. Denn in die Zeit der rumänischen Ratspräsidentschaft fallen der Brexit Ende März sowie die EU-Wahl im Mai.

 

Hinter dem inner-rumänischen Infight stecken dabei ganz handfeste Rivalitäten. Präsident Johannis gehört der konservativen Opposition an. Die Regierung stellt sich aus der sozialdemokratischen PSD und der liberalen ALDE zusammen. Weil der Chef der PSD, Liviu , vorbestraft ist (wegen Wahlfälschung) und weitere Verfahren (unter anderem wegen Millionenschwerer Hinterziehung von EU-Geldern) gegen ihn anhängig sind, darf er keine politischen Ämter bekleiden.

 

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Vor dem Vorhang steht Premierministerin Viorica Dancila – seit Anfang 2018. Im Amt ist die Koalition aus PSD und ALDE seit den Wahlen 2016. Seither gab es mehrere Partei- und Koalitionsinterne Intrigen, zahlreiche Ministerwechsel und Ablösen an der Regierungsspitze. Einziges Kontinuum: Dragnea als eigentliche Autorität und vor allem Fadenzieher eines konsequenten Umbaus der Justiz und der Anti-Korruptions-Behörden zu seinen Gunsten.

Coita ortet vor allem zwei Probleme: „Eine schwache Opposition und einen Präsidenten, der unfähig ist, die Lage unter Kontrolle zu halten.“ Geführt habe das vor allem im Fall der Anti-Korruptions-Behörde DNA zu einer „extrem polarisierten Debatte“.

Erst im Sommer hatte die Regierung die Entlassung der äußerst erfolgreichen DNA-Chefin Laura Kövesi gegen den Willen Johannis‘ und gegen internationalen Protest durchgesetzt. Als ihre Nachfolgerin eingesetzt wurde entgegen ausdrücklicher Empfehlungen des Justizrates eine umstrittene PSD-Gefolgsfrau. Jetzt steht der Generalstaatsanwalt im Visier der Regierung.

Ein anderes Beispiel: Die rumänische EU-Kommissarin für regionale Entwicklung Corina Cretu, erntete eine Welle des Hasses aus dem eigenen Land und der eigenen Partei PSD, nachdem sie die Unfähigkeit rumänischer Behörden bemängelt hatte, budgetierte EU-Fördergelder zu beantragen. Vor allem aber hatte sie einen engen Berater Dragneas zurechtgewiesen, dass eine Machbarkeits-Studie für drei EU-geförderte Spitäler in Rumänien nicht wie der behauptet hatte 250 sondern 1,8 Millionen Euro kosten würde. Die Folge: Ein Shitstorm. Der Vorwurf: Landes-, vor allem aber Parteiverrat.

In Summe fällt der jährliche Bericht der EU-Kommission heuer also deutlich schlechter aus, als der vor einem Jahr. Die laufende Berichterstattung rührt daher, da Rumänien wie Bulgarien bei ihrem Beitritt zur EU die Standards der Union nicht erfüllten. Mittels eines Kooperations- und Kontrollverfahrens sollten sie an die EU herangeführt werden.