Rücktritt als CSU-Chef: Horst gibt zum Abschied den Harten
Nein, diesmal macht er keinen Rückzieher vom Rückzieher. Wenn Horst Seehofer heute nach zehn Jahren den CSU-Parteivorsitz abgibt, werden seine bayerischen Genossen mit Pomp und Trara „pfiat di“ sagen. Für den 69-Jährigen, der die Politik als Sucht beschrieb, ist dies eine Zäsur, aber noch kein echter Abschied. Ein bisschen bleibt er der Politik noch erhalten.
Als Innenminister sieht er ein großes Werk vor sich, wie er im Herbst in der Welt am Sonntag verkündete – zu einer Zeit, in der er mehr als Unruhestifter der Koalition auffiel – mit unpassenden Sprüchen über Asylwerber, Streit mit der Kanzlerin oder durch langes Schweigen nach den Vorfällen in Chemnitz.
Offene Baustellen
Aufgefallen mit Sacharbeit ist er bisher vor allem mit dem Baukindergeld, das Familien beim Erwerb von Eigentum entlasten soll – ja, Seehofer ist auch Minister für Bauen und Heimat. Das geht oft unter, denn als Markenthema hat er Migration gewählt – und sich mit dem „Masterplan“ die Latte hochgelegt. Dabei sind noch viele Punkte offen, die er nun offenbar abarbeiten will.
Wie das Redaktionsnetzwerk Deutschland berichtete, existiert etwa ein Entwurf für ein „Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht“. In einem Eckpunktepapier steht, man wolle prüfen lassen, ob „auf den Richtervorbehalt bei Ausreisegewahrsam für Terrorverdächtige und Asylbewerber, die falsche Angaben über ihre Identität machen, verzichtet werden kann“. Zudem könnten ausreisepflichtige Ausländer und Strafgefangene in denselben Justizvollzugsanstalten inhaftiert werden, da es zu wenig Abschiebehaftplätze gibt. Ohne Details zu nennen, schrieb die Bild auch von „räumlichen Beschränkungen, Fußfesseln und Meldepflichten“. In Seehofers Ministerium will man die Inhalte nicht kommentieren. Nur so viel: Im Kreise der Koalition wurde bereits über einzelne Eckpunkte gesprochen, weitere Gespräche werden folgen, sagte ein Sprecher dem KURIER.
Stimmungen
Will Seehofer mit dem medial kursierenden Entwurf also zuerst die Stimmungen ausloten? Bei einigen Fraktionen sorgte der Testballon schon für kritische Töne. Stephan Thomae (FDP) sagte laut dpa, Seehofer dürfe „die Untätigkeit der Länder, ausreichend Abschiebehaftplätze vorzuhalten, nicht zum Anlass nehmen, um rechtsstaatliche Prinzipien auszuhebeln“. Burkhard Lischka, innenpolitischer Sprecher der SPD, glaubt, dass man die bestehenden Vollzugsprobleme analysieren und beheben müsse, „anstatt schon wieder neue Regelungen zu schaffen“. Eine weitere offene Baustelle in Seehofers Plan ist, die Zahl der sicheren Herkunftsländer auszuweiten. Bei den Maghreb-Staaten (Tunesien, Marokko und Algerien) sowie Georgien hat er die Bundesregierung hinter sich. Diese begründete das Vorhaben vor allem mit geringen Chancen der Bewerber aus diesen Ländern. Deren Anträge sollen künftig schneller bearbeitet und Abschiebeverfahren beschleunigt werden.
Kritik kommt von den Grünen und der Linken. Die Organisation Pro Asyl erklärte, die Einstufung der Länder widerspreche den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts, wonach Sicherheit vor Verfolgung „landesweit und für alle Personen- und Bevölkerungsgruppen bestehen“ müsse. In den betreffenden vier Ländern „werden Minderheiten diskriminiert und insbesondere Homosexualität geahndet“. Im Bundestag stimmten gestern 509 Abgeordnete dafür. Mit „Nein“ votierten 138. Allerdings muss der Entwurf noch durch den Bundesrat. Dort scheiterte er 2017 an der Mehrheit von Grünen und Linke. Grünen-Abgeordnete Luise Amtsberg kündigte an, ihre Fraktion werde nicht einlenken.
Seehofer warb zuvor damit, dass es mit dem Fachkräftezuwanderungsgesetz einen neuen Weg der regulären Einwanderung geben werde – also die nächste Baustelle. Wie lange Horst Seehofer noch werkelt, hängt von der Stabilität der Großen Koalition ab. Ein mögliches Ausscheiden, wie es einige SPD-Vertreter trommeln, kommentierte er nicht. Nur so viel: Er habe keine Angst vor dem Ruhestand, sagte er der Augsburger Allgemeinen. Er würde dann seine Memoiren schreiben, an Material mangelt es sicher nicht.