Ringen um Haft von Julia Timoschenko
Zwischen Brüssel und Kiew spielt sich ein regelrechter Nervenkrieg ab. Alles dreht sich um die Frage, ob die Ukraine für mehr Annäherung an die EU auf die Forderung eingeht, die wegen Korruption verurteilte, aber aus politischen Gründen inhaftierte Oppositionspolitikerin Julia Timoschenko freizulassen.
Die Zeit drängt. Der Vertrag über ein Freihandelsabkommen (Zollbefreiung, mehr Handel, politische Kooperation, Visa-Öffnung) soll Ende November bei einem EU-Gipfel zur Ostpartnerschaft in Vilnius unterzeichnet werden.
Hinter dem Fall Timoschenko findet derzeit ein Richtungskampf zwischen Anhängern der Russland-Anbindung oder einer Öffnung nach Europa statt. Unverkennbar wertet der Kreml die EU-Assoziierung des „nahen Auslands“ als Aufweichung seiner Einflusssphäre. Das innerukrainische Ringen zwischen Opposition und Regierung erschwert zusätzlich die Entscheidung über die EU-Annäherung.
Mehrmals wurde eine Abstimmung im Parlament über den EU-Vertrag verschoben und der weitere Umgang mit Timoschenko vertagt.
Am Donnerstag soll es wieder einen Anlauf geben. Zur rechten Zeit richtet die EU ein Angebot an die Ukraine: das russische Erdgasmonopol und damit die Energie-Abhängigkeit von Russland soll mithilfe der EU geknackt werden und den Abgeordneten ihre Entscheidung erleichtern. Ein Abkommen über Gaslieferungen über Pipelines aus der Slowakei in die Ukraine ist unterschriftsreif, teilte am Mittwoch Energie-Kommissar Günther Oettinger mit.
Mit dieser Maßnahme hofft die EU-Spitze auf eine „Lösung in allerletzter Minute“. Alle Blicke aus Brüssel sind heute, Donnerstag, auf Wien gerichtet, wo der ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch zu einer Staatsvisite eintrifft und von Bundespräsident Heinz Fischer empfangen wird. Ein EU-Diplomat sagt vorsichtig: „Vielleicht hören wir anlässlich des Wien-Besuches positive Worte von Janukowitsch.“