Putin verliert an Rückhalt
Ein Jahr nach seiner Rückkehr in den Kreml bleibt Wladimir Putin zwar laut Umfragen der beliebteste Politiker des Landes, der 60-Jährige verliert jedoch zunehmend an Rückhalt in der Bevölkerung.
So seien 55 Prozent der Bürger der Ansicht, dass Putin bei der Präsidentenwahl 2018 nicht mehr kandidieren und stattdessen seinen Hut nehmen sollte, teilte das unabhängige Meinungsforschungsinstitut Lewada in Moskau mit.
Immer mehr Russen würden sich neue Gesichter in der Politik wünschen, sagte Lewada-Vizechef Alexej Graschdankin der Tageszeitung Kommersant in ihrer Dienstagausgabe.
Die Zahl der Bürger, die ein "Russland ohne Putin" forderten, sei seit der Rückkehr des Ex-Geheimdienstchefs in den Kreml am 7. Mai 2012 um fünf Prozentpunkte auf 24 Prozent gestiegen, sagte Graschdankin. Als Grund nannten Experten den "moralischen Verfall innerhalb der Machtführung".
Am stärksten sei die Anti-Putin-Stimmung in Moskau ausgeprägt, teilte das staatliche Meinungsforschungsinstitut Wziom mit. Erst am Vortag hatten in der Hauptstadt Tausende gegen den seit gut 13 Jahren regierenden Politiker protestiert. Kritiker werfen Putin vor, Andersdenkende einzuschüchtern und eine freie und demokratische Zivilgesellschaft mit selbstbewussten Bürgern verhindern zu wollen.
Demonstrationen
Bereits am Montag haben in Moskau Tausende Kremlkritiker friedlich gegen den Kurs des Präsidenten protestiert. Die Demonstranten forderten auf Plakaten und in Sprechchören "Freiheit für politische Gefangene" und beklagten zunehmende Repressionen seit Putins Rückkehr in den Kreml
Putin sei über die Proteste informiert, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow. Der Präsident hatte sich mehrmals abfällig über seine Gegner geäußert. Während Oppositionsvertreter von bis zu 60.000 Teilnehmern sprachen, nahmen bei kühlen Temperaturen nach Polizeiangaben maximal 8.000 Menschen an der Kundgebung auf dem Bolotnaja-Platz nahe dem Kreml teil.
Die Zivilgesellschaft sei reifer geworden und schlucke nicht mehr alles, sagte Oppositionspolitiker Dmitri Gudkow. Nach Ansicht von Bürgerrechtlern hat der Kremlchef mit verschärften Gesetzen die Daumenschrauben angezogen. Auch die Bundesregierung hatte Razzien bei Nichtregierungsorganisationen und deutschen Stiftungen kritisiert.
Tausende Polizisten waren im Einsatz. Die Behörden hatten bis zu 30.000 Teilnehmer zu der ersten Großkundgebung seit vier Monaten zugelassen, einen Protestmarsch aber verboten.
Tödlicher Unfall
Überschattet wurde die Demonstration vom Tod eines Helfers, der Stunden zuvor beim Aufbau von einer Lautsprecheranlage erschlagen worden war. Wegen des Unfalls nutzten die Organisatoren die Ladefläche eines Lastwagens als Bühne. Am Vortag hatten sich Hunderte Kremlgegner an einem "Frühlingsmarsch der Freiheit" beteiligt.